JPMorgan - Fünf Takeaways von Jamie Dimon`s Annual Letter 2020

Marius Müllerhoff ist als freier Redakteur beschäftigt. Artikel von freien Redakteuren stellen deren eigene Meinung dar und müssen mit der von aktien nicht korrespondieren.

Liebe Leser,

Jamie Dimon ist eine Koryphäe im Finanzsektor und darüber hinaus. Seit 16 Jahren führt er JPMorgan & Chase Co. (JPM). Er ist bekannt für seine stichhaltigen Annual Letters. Von dem Annual Letter 2020 halte ich vor allem die folgenden fünf Punkte für spannend.

Boomende US-Wirtschaft bis 2023

Zuerst betont Dimon, dass es aufgrund der übermäßig hohen Ersparnisse, der auf Pump finanzierten Staatsausgaben wie dem Infrastrukturprogramm, des Quantative Easings (QE), eines erfolgreichen Impfstoffes und der Euphorie auf das Ende der Pandemie sehr wahrscheinlich einen Boom der US-Wirtschaft geben wird. Dieser könnte bis 2023 gehen, weil die Staatsausgaben bis 2023 andauern werden. Die dauerhaften Auswirkungen dieses wirtschaftlichen Aufschwungs werden erst bekannt sein, wenn die Nachhaltigkeit des Infrastrukturprogramms und der anderen staatlichen Investitionen bekannt sind, so Dimon. In diesem Kontext spricht er sogar von einem "Goldilock-Moment", also ein schnelles und anhaltendes Wachstum, eine Inflation, die leicht ansteigt (aber nicht zu stark) und Zinsen, die steigen (aber nicht zu stark). Eine boomende Wirtschaft erleichtert letztlich die Verwaltung der US-Schulden erheblich und ermöglicht es der Fed, das QE zurückzufahren.

Hohe Aktienbewertungen

Zweitens geht Dimon auf die aktuell recht hohen Aktienbewertungen ein. Nach fast allen Maßstäben, mit Ausnahme der Zinssätze, sind diese sehr hoch. Jedoch könnte eine mehrjährige boomende Wirtschaft diese hohen Bewertungen rechtfertigen. Die Aktienmärkte blicken in die Zukunft, so Dimon, und sie könnten nicht nur eine boomende Wirtschaft einpreisen sondern auch die Tatsache, dass ein Großteil der überschüssigen Liquidität in Aktien fließen wird. Selbstverständlich gibt es bereits heute in einigen Bereichen des Marktes Spekulationen.

Quelle: desk.traderfox.com

China als aufstrebende Weltmacht, Selbstgefälligkeit der USA

Drittens geht Dimon auf China ein. So schreibt er, dass die Führung Chinas der Ausfassung sei, dass sich die USA im Niedergang befänden. Dank der Größe ihres Landes wird sich China bis 2030 zur größten Volkswirtschaft der Welt katapultieren. Auch das langfristige Denken und die kompetente und konsequente Führung Chinas wird dann die von Amerika übertroffen haben. Dimon schreibt weiter, dass die Chinesen in vielerlei Hinsicht ein Amerika sehen, das in Bezug auf Technologie, Infrastruktur und Bildung an Boden verliert. Die USA sind zu einer Nation geworden, die von Politik sowie Rassen- und Einkommensungleichheit zerrissen wird. Gleichzeitig sind die USA immer weniger in der Lage, in irgendeiner kohärenten Weise die Regierungspolitik zu koordinieren (fiskalisch, industriell, monetär, regulatorisch), um nationale Ziele zu erreichen. Am Ende schreibt Dimon, dass diese Sicht der chinesischen Führung in letzter Zeit wohl leider zutreffend ist.

Kapitalismus, Gesundheitsversorgung, Einwanderungspolitik, Populismus

Viertens schreibt Dimon, dass die USA und andere Länder auf der ganzen Welt mit vielen anderen kritischen Fragen zu kämpfen haben. Hier nennt er: Kapitalismus im Vergleich zu anderen Wirtschaftssystemen, Zugang zur Gesundheitsversorgung, Einwanderungspolitik, die Rolle der Wirtschaft in unserer Gesellschaft und wie oder sogar ob, die USA die Rolle der Weltmacht ausüben. Viele Amerikaner haben das Vertrauen in die Fähigkeit der US-Regierung verloren, die genannten Herausforderungen sowie weitere Probleme zu lösen. Tatsächlich würden die meisten Menschen die US-Regierung als ineffektiv, bürokratisch und oft voreingenommen bezeichnen, so Dimon. Fast alle Institutionen wie Regierungen, Schulen, Medien und Unternehmen haben in den Augen der Öffentlichkeit an Glaubwürdigkeit verloren. Zu Recht? Ja, meint Dimon, denn viele Probleme gibt es schon seit langem und sie altern nicht gut. Die Politik ist zunehmend gespalten und die Regierung zunehmend dysfunktional. Die Menschen haben Recht, wütend zu sein und sich enttäuscht zu fühlen, schreibt Dimon weiter. Die Misserfolge befeuern den Populismus sowohl auf der politischen Linken als auch auf der rechten Seite. Aber Populismus ist keine Politik, und man darf nicht zulassen, dass dieser Populismus schlechte Planung und schlechte Führung weiter vorantreibt, die die Lage im Lande weiter verschlechtern.

Wettbewerb durch Fintech und BigTech, work from home, cybersecurity, Marshall Plan

Fünftens möchte ich noch auf ein paar (eher am Rande gemachten) Aussagen von Jamie Dimon eingehen. So schreibt er, dass der Bankensektor nicht nur durch Fintech-Unternehmen zunehmend bedroht bzw. unter Druck gesetzt wird. Nun kommen auch noch BigTech (Amazon, Apple, Facebook, Google) und auch Unternehmen wie Walmart hinzu. Dimon wünscht sich hier eine striktere Regulierung, welche bei bei BigTech bereits in Ansätzen zu erkennen ist (Private Daten, Besteuerung der digitalen Produkte). Gleichzeitig betont er, dass seine Bank noch schneller und kreativer werden müsse und weitere Zukäufe von Fintech-Unternehmen nicht ausgeschlossen seien. Bei einem weiteren Thema geht es um "work from home. Das remote working wird sich auch im Hause JPMorgans verstärkt durchsetzen. Dimon rechnet vor, dass sein Bankhaus möglicherweise nur 60 Sitzplätze pro 100 Mitarbeiter benötigen wird. JPMorgan’s Immobilienbedarf wird sich somit erheblich reduzieren. Cybersecurity ist ein weiteres Thema, das Dimon sehr am Herzen liegt. Nicht nur für JPMorgan hat Cybersecurity höchste Priorität. Es sollte auch für die Regierung und die Nationalen Sicherheit höchste Priorität sein. JPMorgan gibt jährlich mehr als 600 Mio. USD für Cybersecurity aus (ca. 0,5% des Umsatzes aus 2020). Außerdem spricht er von einem "multi-year Marshall Plan", bei dem er sich u.a. auf das sehr gute deutsche Ausbildungsprogramm bezieht.

Quelle: Qualitäts-Check TraderFox

Was lässt sich abschließend sagen?

Es macht immer wieder Spaß Dimon‘s Zeilen zu lesen. Natürlich ist er auch intrinsisch motiviert, ein tendenziell optimistisches Bild der US-Wirtschaft zu skizzieren, insbesondere nach einem schwierigen Jahr 2020. Trotz einer Herzoperation im April 2020 und 16 Jahre an der Spitze von JPMorgan denkt der 61 Jahre alte Jamie Dimon anscheinend noch nicht aktiv über seine Nachfolge nach. Wir können uns also auf weitere spannende Annual Letters freuen.


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