Die Jagd nach einem Covid-19-Impfstoff: Das sind die europäischen Börsen, Branchen und Aktien, die auf eine Erfolgsmeldung besonders positiv reagieren dürften

Die Finanzmärkte setzen darauf, dass spätestens mittelfristig ein wirksames Coronavirus-Medikament auf dem Markt kommt. Auf welche Länder, Branchen und Einzeltitel Anleger dann in Europa setzen sollten, verrät eine UBS-Studie.

Die jüngsten Rekorde bei der Zahl der weltweit registrierten Covid-19 Neuinfektionen haben die globalen Aktienmärkte bisher nicht wieder aus dem Tritt gebracht. Warum das so ist, lässt sich primär mit 2 Argumenten begründen. Zum einen gehen die Marktteilnehmer mehrheitlich nicht von erneuten allumfassenden Lockdowns aus. Zum anderen ist die Hoffnung groß, dass es schon bald wirksame Medikamente gibt. Am vergangenen Montag hieß es jedenfalls in Agenturberichten mit Blick auf die deutlichen Tagesgewinne, dass das Sentiment unter anderem von gestiegenen Hoffnungen auf einen baldigen Impfstoff gegen das Coronavirus gestützt worden sei.

Die Analysten bei der Credit Suisse verweisen in diesem Zusammenhang in einer aktuellen Einschätzung auf folgendes: "Mit Blick auf Impfstoffe sind zurzeit über 300 Kandidaten in der Entwicklung, von denen sich mittlerweile rund ein Dutzend in der späten Testphase an Menschen befindet. Da die Erfolgsquoten üblicherweise im Bereich von 20 % bis 35 % liegen, werden letztlich wohl mehrere Impfstoffe verfügbar sein. Weil Versuche mit potenziellen Impfstoffen keine feste zeitliche Dauer haben, sondern vielmehr «ereignisgetrieben» sind und laufen, bis im Rahmen der Studie eine vorab festgelegte Zahl an Infektionen erreicht wird, ist das Timing stark von externen Faktoren abhängig. Im Best-Case-Szenario werden die ersten Hersteller in diesem Entwicklungssprint voraussichtlich Anfang bis Mitte des 4. Quartals 2020 Daten bei den Aufsichtsbehörden einreichen. Damit ist die Chance, dass noch vor den US-Präsidentschaftswahlen eine Notfallzulassung erfolgt, sehr gering. Das Jahresende könnte jedoch für eine Zulassung in Reichweite liegen.

Da jedoch zuerst diverse Vertriebs- und Zugangsfragen geklärt werden müssen, rechnen wir erst für 2021 mit einer Markteinführung auf breiter Front und dementsprechend positiven Auswirkungen auf unseren Alltag. Und schließlich möchten wir Anlegern in Erinnerung rufen, dass derartige Versuche nie gänzlich risikofrei sind und schwerwiegende negative Ereignisse – wie jüngst in der Studie von AstraZeneca – eine reale Möglichkeit darstellen, die zu Verzögerungen führen können. Da Impfstoffe letztlich an Millionen gesunde Menschen verabreicht werden, begrüßen wir das jüngste Versprechen der Branche sehr, dass man keine Abkürzungen nehmen und nur validierte und sichere Impfstoffe für eine Zulassung anmelden werde, selbst wenn dies auf Kosten der Geschwindigkeit gehen sollte."

Die Deutsche Bank wiederum äußert sich zu dem Thema wie folgt: "2 Rennen werden für den Rest des Jahres die Märkte dominieren: das Rennen um das Weiße Haus und das Rennen um einen Impfstoff. Es handelt sich natürlich um verschiedene Arten von Rennen. Die Wahl hat eine klar definierte Ziellinie, und die Frage ist, welcher Kandidat gewinnt. Das mag weniger relevant erscheinen, wenn es um das Rennen um einen Impfstoff geht; die entscheidende Frage ist hier, ob es überhaupt ein Kandidat über die Ziellinie schaffen wird, und wenn ja, wann."

Wie die Sache auch ausgeht, ist so oder so davon auszugehen, dass das Coronavirus die Kurse mindestens noch einmal deutlicher bewegen wird. Welche Kraft die Pandemie auf die Notierungen ausüben kann, hat sich während der allgemeinen Coronavirus-Baisse gezeigt, aber auch an den starken Kurgewinnen der Covid-19-Profiteure.

UBS-Analyse zeigt die Kurs-Sensitivitäten

Angesichts dieser Erwartungshaltung ist es aus Anlegersicht interessant, wie sehr sich die Pandemie auf einzelne Marktsegmente auswirkt. Passend dazu hat die UBS jüngst eine Analyse durchgeführt, deren Ziel es war, die potenziellen Auswirkungen eines Impfstoffs auf die europäischen Länder, Branchen und Einzelaktien zu beziffern.

Dazu haben sich die Analysten bei der Schweizer Großbank angesehen, wie sensitiv die einzelnen Segmente in der Vergangenheit auf entsprechende COVID-19-Impfstoffnachrichten an jenen Tagen reagierten, an denen der Nachrichtenfluss besonders positiv war. Passend dazu hat man dann rückverfolgt, wie sich die einzelnen Bereiche in den beiden Handelstagen danach geschlagen haben.

Die beiden nachfolgenden Grafiken zeigen die Ergebnisse für einzelne Länder und Branchen. Dem Resultat auf Länder-Ebene zufolge reagierte Deutschland am empfindlichsten auf positive Impfstoffmeldungen, gefolgt von skandinavischen Märkten und Frankreich. Am Ende rangieren dagegen Schweiz, Spanien und Belgien.

Auf Sektor-Ebene wiederum reagieren die stark zyklischen Bereiche und jene Teile des Marktes, die den Mobilitätsbeschränkungen am stärksten ausgesetzt sind (Verkehr und Energie), am empfindlichsten auf positive Meldungen zu Impfstoffen. Wer anders als wir eine feste Meinung dazu hat, wie es mit der Pandemie weitergeht, kann versuchen, entsprechend der skizzierten Ergebnisse Positionen aufzubauen.

Sensitivität von EU-Ländern auf positive Impfstoffnachrichten

Quellen: Thomson Datastream, UBS European Equity Strategy

 

Sensitivität von EU-Branchen auf positive Impfstoffnachrichten

Quellen: Thomson Datastream, UBS European Equity Strategy

Angesehen hat sich die UBS wie bereits angedeutet auch die Auswirkungen auf der Ebene von europäischen Einzelwerten. Konkret wurde dabei erneut die Performance der beiden Handelstage nach besonders guten Coronavirus-Nachrichten gemessen. Das Ergebnis ist eine Liste mit jenen Titeln, die am stärksten positiv und negativ auf diesen Nachrichtenfluss reagierten haben. Vom ermittelten Ergebnis zeigen wir in der nächsten Tabelle jene Aktien, die im obersten Quintil zu finden sind, was die positive Abhängigkeit von den Impfstoffnachrichten angeht.

Außerdem verlangt die UBS neben einer Kauf- oder Neutral-Empfehlung durch die eigenen Analysten als weitere Qualifikationskriterien noch ein positives Gewinn-Momentum im Vergleich zu den Mitbewerbern, einen Börsenwert von mehr als 3 Mrd. EUR sowie einen Bewertungsabschlag im Sektor-Vergleich gemessen am KGV basierend auf den Schätzungen für 2021.

Quellen: UBS-Schätzungen, Thomson Datastream, UBS European Equity Strategy


Bildherkunft: Adobe Stock: 293440910