Alibaba im Korrekturmodus: China-Tech unter Regulierungsdruck – Einstiegs-Chance?

Michael Seibold ist als freier Redakteur beschäftigt. Artikel von freien Redakteuren stellen deren eigene Meinung dar und müssen mit der von aktien nicht korrespondieren.

Liebe Leser,

die Wertvernichtung von Chinas Big Tech geht unaufhaltsam weiter.

Laut Warren Buffett sollte man deshalb folgendes hinterfragen: "Wenn man eine Aktie kauft, muss man sich darauf vorbereiten und damit wohlfühlen, dass sie 50 Prozent und mehr an Wert verlieren kann – solange man sich mit dem Unternehmen wohlfühlt."

Die Alibaba-Aktie sich in der Spitze von mehr als 319 USD bis auf 138 USD mehr als halbiert. Derzeit kann sie sich auf heute 168 USD leicht erholen.

 

Quelle: Daten/Graphs im AktienTerminal von TraderFox

Diesen Ausverkaufsmodus sahen wir nahezu bei allen Aktien in China – Technologie leidet besonders unter dem Regulierungsdruck der chinesischen Regierung. Bei Alibaba kommt noch der torpedierte Börsengang Ende 2020 der Finanztochter Ant Group hinzu. Die Ein-Parteien-Diktatur geht ohne Rücksicht auf Verluste auf den Onlinehandel, den Gaming- und Bildungsbereich, die Immobilienbranche sowie auf den Fintechbereich los. Mit Verboten, neuen Gesetzen, Herausgabe von Daten, gegenseitige Öffnung der Konzerne, möchte die Kommunistische Partei Chinas mit Parteiführer Xi Jinping ein Exempel statuieren. Alibaba hat es ganz klar am stärksten von allen großen chinesischen Tech-Unternehmen getroffen. Innerhalb der letzten neun Monate wurde hier ein Börsenwert von rund 500 Mrd. USD in Luft aufgelöst. Auch Tencent ist mehr als 40 Prozent vom Allzeithoch entfernt und leidet ebenfalls unter dem rasanten Vorgehen.

Chinesische Konzerne, v.a. im Tech-Bereich hatte man 20 Jahre lang alle Freiheiten gelassen. Jetzt möchte man alle Regulierungen auf einmal nachholen, weil ihnen die Marktmacht der Unternehmen zu groß geworden ist. Ähnliche Kritikpunkte wie die Verhinderung des Aufstiegs junger Wettbewerber müssen sich auch US-amerikanische Konzerne wie Amazon, Alphabet, Apple und Facebook regelmäßig vorwerfen lassen. Der Unterschied liegt dabei darin, dass es in China wesentlich einfacher ist, die eigenen Unternehmen zu regulieren.

Der fallende Aktienkurs steht jedoch konträr zu den fundamentalen Aussichten. Alibaba und Co schaffen es trotz aller Regulierungen jährlich zweistellig zu wachsen.

Die Investoren haben das schon fast vergessen, der Ausverkauf kam dabei wie ein Schneeball immer mehr ins Rollen. Jede Meldung der chinesischen Staatsführung hat die Kurse fallen lassen, egal wie stark das jeweilige Unternehmen wirklich fundamental getroffen wurden.

Da liegt meiner Meinung nach die Chance für Investoren mit Weitblick. Was sollte China langfristig davon haben, seine eigenen Konzerne zu zerstören, wenn sie doch Wohlstand für die gesamte Bevölkerung predigen?
Platzhirsche wie Alibaba, Tencent, aber auch JD.com müssen sich auf die neuen Rahmenbedingungen erst einstellen, haben nach wie vor eine starke Marktposition und ihre Finanzstärke sprechen für sich. Kaum verschuldet, eine hohe Eigenkapitalquote und eine Bewertung, die angesichts des Wachstums noch nie günstiger war.

 

Quelle: AktienTerminal von TraderFox

Grundlegend erkennt man einen Politikwechsel in Peking, der sich natürlich auf die langfristigen Wachstumsaussichten des Landes auswirken wird. Das Ideal des Sozialismus steht konträr zur bis vor kurzem kaum regulierten staatlich gelenktem Kapitalismus.

Die drohende Pleite des chinesischen großen Immobilien-Konzerns Evergrande hat in den letzten Wochen teils für erhebliche Angst an den Finanzmärkten gesorgt. Über 300 Mrd. US-Dollar Schulden hat der Konzern aufgrund seiner aggressiven Wachstumsstrategie angehäuft und kann derzeit seine Zinszahlungen nicht mehr leisten. Für die Wachstumsstrategie von China sind natürlich vor allem Werte aus dem Finanz- und Immobilienbereich die Garanten bisher gewesen. Damit soll jetzt Schluss sein, denn Xi Jinping setzt auf "Wohlstand für alle".

Kaum jemand rechnet damit, dass China die nächste Finanzkrise auslösen könnte. Dies liegt daran, dass chinesische Konzerne hauptsächlich ihr Geld von chinesischen Banken erhalten haben. Für Europa und die USA hat es also kaum Einfluss. Die Wirtschaft in China wird sich abkühlen, Wachstumsraten von jenseits der 8 Prozent scheinen erst einmal Geschichte. Vielleicht wird es sich bei rund 5 Prozent per anno nach 2022 einpendeln, immer noch mehr als in den entwickelten Industrieländern, aber doch um einiges weniger wie bisher angenommen.

Die Rahmenbedingungen der chinesischen Wirtschaft haben sich geändert. Daher sollte man die Finanz- und Immobilienbranche dort meiden. Jedoch glänzen die Big-Tech-Konzerne wie Alibaba, Tencent oder JD.com in China nach wie mit jährlich zweistelligen Wachstumsraten. Und damit dürfte so schnell nicht Schluss sein. China ist im Gegensatz zu vielen anderen Ländern kaum auf Auslandskapital angewiesen. Die Kontrolle liegt hier ausschließlich bei der chinesischen Regierung und das kann das Finanzsystem schnell bei Ungereimtheiten stabilisieren. Mit dem im letzten Jahr unterzeichneten Freihandels-Abkommen RCEP (größte Freihandelszone der Welt im Raum Asien/Pazifik) dürfte auch China langfristig ein großer Profiteur sein.

Viele Anleger sehnen sich immer nach deutlichen Kurs-Korrekturen bei guten Unternehmen. Dann korrigieren Aktie wie Alibaba um über 50 Prozent, Tencent um über 30 Prozent und dann wollen sie nicht mehr investieren, obwohl sich fundamental nicht so viel verändert hat. China-Aktien stellen auf Sicht der nächsten Jahre eine große Chance dar, wenn ich auch nur in die größten Konzerne investieren würde. Die Finanz- und Immobilienbranche meide ich in China gänzlich, zu groß ist hier der Einfluss der chinesischen Regierung.

Der Ton in China wurde rauer, jedoch wird noch in diesem Jahrzehnt China die USA als größte Volkswirtschaft ablösen. Langfristig möchte ich mit Alibaba und Tencent von diesem Wachstum profitieren, da ich hier gemäßigtes Risiko sehe. Natürlich sollte man China-Aktien in seinem Portfolio nicht über gewichten. Aber nicht in China-Aktien zu investieren, stellt für mich auch keine Alternative dar.

 

Die Rückeroberung des 61,8er Fibonacci Retracement war ein wichtiger Schritt zur Rückeroberung des langfristigen Aufwärtstrends. Die nächsten Widerstandszonen liegen bei 188 USD und 219 USD.

Liebe Anleger, liebe Trader,

ich wünsche Ihnen noch viele erfolgreiche Investments.

Bis zur nächsten spannenden Story,

Michael Seibold

Aufklärung über Eigenpositionen: Der Autor hält Aktien von Alibaba und Tencent.

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