Indien – 5 Gründe, warum man für die nächsten Jahrzehnte in Indien investiert sein sollte

Marius Müllerhoff ist als freier Redakteur beschäftigt. Artikel von freien Redakteuren stellen deren eigene Meinung dar und müssen mit der von aktien nicht korrespondieren.

Liebe Leser,


mit knapp 1,4 Mrd. Menschen ist Indien die größte Demokratie der Welt und wird nächstes Jahr aller Voraussicht nach China als das bevölkerungsreichste Land der Welt ablösen. Indien ist ein Land der Kontraste. Großen boomenden Metropolen wie Delhi oder Mumbai stehen knapp 850 Mio. Inder (60% der Gesamtbevölkerung) mit weniger als 3 USD pro Tag gegenüber. Modernen Hochhäusern, breiten Highways und dekadenten Restaurants stehen Blechhütten, Sandwege und Hunger gegenüber. IT-Outsourcing, IT-Beratung und Software-Entwicklung stehen manueller Ackerbau, ein Eisenbahnnetz aus der Kolonialzeit (weniger als 40% ist elektrisiert, kein einheitliches Schienennetz) und ein rigides Kastensystem gegenüber. Seit der Unabhängigkeit (1947) bis Anfang der 1990er Jahre war Indien ein Land mit stark sozialistischen Strukturen. Planwirtschaft stand auf der Tagesordnung. Seitdem hat sich viel in Indien getan. Liberalisierung der Wirtschaft, Fokus auf Wachstum und Investitionen in Zukunftsthemen. Stark wachsendes BIP pro Kopf, steigende Löhne, zunehmende Produktivität, wachsender internationaler Handel waren die Folge. Hinzu kommt eine junge, ehrgeizige und gut ausgebildete Bevölkerungsschicht. Schauen wir uns fünf Katalysatoren für den weiteren Wachstumspfad an und gehen auch auf ein paar Risiken ein.

Seit 10 Jahren ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 6,7% p.a.
In den vergangenen zehn Jahren hat Indien ein Wachstum des BIPs von 6,7% p.a. aufgewiesen (das Jahr 2020 wird wegen Corona ausgelassen; in 2020 ging das BIP um 10,3% zurück). Aktuell beträgt das BIP pro Kopf ca. 2000 USD. Ein 6,7%iges Wachstum impliziert eine Verdopplung des BIPs alle 11 Jahren. Mit einem geschätzten BIP (2021) von 3 Billionen USD liegt India aktuell auf Platz 7 der größten Wirtschaftsnationen und damit noch vor Ländern wie Australien, Italien und Südkorea. Treiber hinter diesem Wachstum gibt es etliche. Zunächst leben 60% der Bevölkerung von weniger als 3 USD pro Tag. Das sind knapp 850 Mio. Menschen (das ist mehr als das 10fache der deutschen Bevölkerung!). Auf die indische Wirtschaft wird ein immenser Konsumhunger kommen. Außerdem wurden unter dem aktuellen Premierminister Modi Großinfrastrukturprojekte in die Wege gelegt u.a. 120 Mrd. USD in die Küstenentwicklung, denn die Schifffahrindustrie ist aufgrund der geographischen Lage ein wesentlicher Bestandteil der indischen Wirtschaft. Hinzu komm der Ausbau der Solarkraftkapazitäten mit einem Programm in Höhe von 100 Mrd. USD und die Weiterentwicklung des Industriekorridors Delhi-Mumbai mit ebenfalls 100 Mrd. USD. Die indische Telekommunikations-Industrie ist die am schnellsten wachsende Industrie weltweit, im Automotive-Bereich steht man direkt hinter China auf Platz 2. Service, Beratung und Outsourcing sind ebenfalls sehr wichtige Wirtschaftsbereiche. Die Arbeitskräfte sind im internationalen Vergleich günstig und sind gleichzeitig in den meisten Fällen der englischen Sprache fähig. Ein großer komparativer Vorteil! Heute wird mehr als 60% des BIP mit Dienstleistungen erwirtschaftet (Tendenz steigend), die industrielle Fertigung liegt bei knapp 30%, der Rest macht die Landwirtschaft aus.

Premierminister Modi – ein Macher mit Kontroversen

Indiens Premierminister Narendra Modi, 71, ist seit 2014 im Amt, seit 1985 in der Politik. Er hat also schon viel gesehen. Er kommt aus armen Verhältnissen. Einen Schulabschluss hat er gemacht, aber keinen Universitätsabschluss. Modi ist ein Macher-Typ. Er hat viel für die wachsende Wirtschaft getan u.a. die Liberalisierung der Telekommunikation, der Luftfahrt und der Energiewirtschaft. Bei etlichen kommt das gut an. Er hat aber auch einige Kontroversen hervorgerufen, u.a. die Geldreform aus dem Jahr 2016 (siehe unten) und die Reduktion der Ausgaben im Gesundheits- und Sozialbereich. Zwei seiner größten Herausforderungen waren bzw. sind die Geldreform aus November 2016 und die Bewältigung der Corona-Krise. Im November 2016 wurde ein gigantisches Geldexperiment in einer Nacht und Nebelaktion realisiert: die beiden größten Geldscheine (500 und 1000 Rupien-Scheine) wurden verboten. Grund: Schwarzgeld und Steuerhinterziehung. Es folgten Wochen des Chaos. Während kleine Summen des alten Geldes an den Bankschaltern gegen neue, legale Banknoten umgetauscht werden konnten, hatten die Inder wochenlang keinen Zugriff auf ihre Vermögen. Der Schaden für die Wirtschaft war zunächst enorm. Seitdem hat es jedoch einen massiven Anstieg an digitalen Payments gegeben und die Anzahl an Steuererklärungen hat sich um 25% erhöht. Der Staat freut sich, die Staatseinnahmen profitieren. Eine weitere Herausforderung ist die Corona-Krise. Kastenverhalten, religiöse Zeremonien und Wanderarbeiter um nur einige der Ursachen für die weiterhin sehr hohen Zahlen zu nennen. Mit gut 15 Mio. auf Sars-Cov II positiv getesteten Menschen steht Indien auf Platz 2 hinter den USA. Mit knapp 180.000 Toten steht das Land auf Platz 4. Mittels eines massiven Impfprogramms, einer Verlängerung des Lockdowns und noch intensiveren Appellen an die Menschen, Masken zu tragen und Social Distancing zu betreiben, will Modi Herr der Dinge werden.

Bevölkerungswachstum von 1,2% p.a., bald das bevölkerungsreichste Land der Welt

Das Wachstum der indischen Bevölkerung liegt seit Jahren bei 1,2% p.a. Nächstes Jahr wird man das bevölkerungsreichste Land der Welt sein. Falls sich dieses Wachstum fortschreibt, würde sich die Bevölkerung nach 60 Jahre verdoppeln, von aktuell 1,4 Mrd. auf 2,8 Mrd. Menschen im Jahr 2081 (!). Eine Konsumlawine ist dabei, auf die indische Wirtschaft zuzukommen. Folglich muss viel produziert werden, es muss viel finanziert werden, es muss viel seitens des Staates investiert werden. Viele junge Menschen streben nach Aufstieg und Wohlstand. All dies wird die indische Wirtschaft weiter signifikant stimulieren.

Junge Bevölkerung, 50% ist jünger als 25 Jahre

Die indische Bevölkerung ist eine extrem junge Bevölkerung. 50% der Inder sind jünger als 25 Jahre! (Vergleich: In Deutschland sind 50% der Bevölkerung jünger als 50 Jahre). Sie sind "hungrig" und ehrgeizig. Die meisten sprechen Englisch (ein großes Alleinstellungsmerkmal z.B. gegenüber China). Viele von ihnen haben eine Schulausbildung, etliche sogar einen Universitätsabschluss. Einige studieren im Ausland. Gute Bildung ist das Fundament für Aufstieg, Wohlstand und letztlich Wachstum. Die junge Bevölkerung will reisen, ein Eigenheim besitzen, ein Auto kaufen etc. All dies wirkt sich multiplikativ auf das Wirtschaftswachstum aus.

Low Cost Labor sowie IT

Indien steht für Low Cost Labor aber auch vor allem für Technologie (China war Jahrzehnte lang "lediglich" die Werksbank des Westens). Ob IT-Beratung, IT-Outsourcing oder Software-Entwicklung Indien steht überall ganz vorne. Auf den digitalen Dienstleistungsplattformen Fiverr und Upwork werden viele Dienstleistungen von Indern erbracht. Auch hat Indien damit begonnen, in Bereiche wie Biotechnologie, Pharmazie und Raumfahrt zu investieren und zu diversifizieren. Der Fokus auf Ausbildung gekoppelt mit staatlichen Investitionen und Foreign Direct Investments soll dies weiter befeuern. Auch immer mehr westliche Konzerne haben verstärkt Indien für sich erkannt z.B. Walmart/Flipcart.

Einige Risiken in der Kurzübersicht

Bei einem hoch-diversen Schwellenland bzw. Subkontinent wie Indien gibt es natürlich auch etliche Risiken. Korruption steht weiterhin an der Tagesordnung trotz etlicher Versuche von Modi, sie zu dezimieren. Andauernde Konflikte mit Nachbarn (China, Pakistan) sorgen für Unsicherheiten bei internationalen Investoren, obwohl Modi während seiner sieben jährigen Amtszeit die Foreign Direct Investments signifikant skalieren konnte. Religion und das Kastensystem führen zur Segregation der Gesellschaft. Intelligenten Menschen aus der "falschen" Kaste werden beim wirtschaftlichen Aufstieg Steine in die Wege gelegt. Man kann sich seine Arbeit nicht aussuchen. Mitglieder unterschiedlicher Kasten arbeiten nicht miteinander. Die Wirtschaft wird durch diese Art gesellschaftlicher Konventionen gehemmt. Auch hat Corona-Krise hat ihre Spuren hinterlassen.

Wie lässt es sich in Indien investieren?

Im Bereich des Stockpickings kann man beispielsweise auf einige große Player wie HDFC Bank (Indiens größte Bank), Tata Consultancy Services (Indiens größter Provider von IT-Dienstleistungen) und Reliance Industries (Mischkonzern u.a. Öl und Gas, Petrochemie, Kohlenwassershoff-Exploration, Handel) setzen.

Quelle: Qualitäts-Check TraderFox

Auch kann man Anteile an einem der angebotenen India-ETF kaufen, z.B. Franklin FTSE India (ISIN: IE00BHZRQZ17) mit einem TER von 0,19% oder iShares MSCI India (ISIN: IE00BZCQB185) mit einem TER von 0,65%. Darüber hinaus könnte man sich Aktien von Investoren ins Depot legen, die wiederum in Indien investiert sind, z.B. Prem Watsa mit seiner Beteiligungsfirma Fairfax Financial (CA: FFH).

 

Was lässt sich abschließend sagen?

Wer einen langfristigen Anlagehorizont hat, für den geht nichts an Indien vorbei. Aus meiner Sicht stehen Indien prosperierende Zeiten bevor. Ob Bevölkerungswachstum, steigendes BIP pro Kopf oder zunehmender internationaler Handel, Indien zeigt dynamische Wachstumszahlen auf (das Jahr 2020 außen vorgelassen). Im kommenden Jahr wird Indien vermutlich zum bevölkerungsreichsten Land der Welt aufsteigen. Der Konsumhunger ist gigantisch. Dank der jungen, oftmals sehr gut ausgebildeten und ehrgeizigen Bevölkerung und einer gesunden Mischung aus Dienstleistung und Produktion sollte es mit der größten Demokratie der Welt stetig bergauf gehen. Natürlich sind einige Risiken nicht zu vernachlässigen. Übrigens, den Netflix-Film "The White Tiger" kann ich wärmstens empfehlen.

Aufklärung über Eigenpositionen: Der Autor hält Aktien am iShares MSCI India.


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