Ist der neue DAX-Aufsteiger Delivery Hero eine Investition wert?

Michael Seibold ist als freier Redakteur beschäftigt. Artikel von freien Redakteuren stellen deren eigene Meinung dar und müssen mit der von aktien nicht korrespondieren.

Liebe Leser,

seit dem 24. August 2020 ist es soweit: Delivery Hero (WKN: A2E4K4) ersetzt im DAX den freigewordenen Platz von Wirecard. Damit wird dem Essenslieferdienst nun eine ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Delivery Hero wurde 2011 gegründet und hatte seinen Börsengang (IPO) im Juni 2017, wurde nur drei Monate später in den SDAX aufgenommen und trat im Juni 2018 in den MDAX ein.

Wer ist das Unternehmen?

Das Unternehmen startete als Marktplatz für Online-Lebensmittelbestellungen und gründete später seinen eigene Lieferflotten und verzweigte sich in komplementäre Geschäftsbereiche. Heute bietet Delivery Hero auch Lebensmittel und Haushaltswaren (wie Arzneimittel, Blumen, Elektronik und mehr) an, baut neue Küchenkonzepte auf und betreibt sogar eigene lokale Lagerhäuser.

Mittlerweile ist das Unternehmen in über 40 Ländern tätig und damit ein globaler Konzern. Allein im zweiten Quartal verzeichnete Delivery Hero ein Auftragswachstum von 95 Prozent und erreichte den Meilenstein der Lieferung von 100 Millionen Bestellungen in nur einem Monat. Damit werde man im Gesamtjahr 2020 das erste Mal mehr als eine Milliarde Bestellungen auf seinen Plattformen abwickeln. Im dritten Quartal möchte man auch in Japan Fuß fassen und seine globale Präsenz weiter ausbauen. Über mehr als 630.000 Restaurantpartner und über 25.000 Mitarbeiter kann sich das Unternehmen freuen.

Delivery Hero, das Marken wie pizza.de und Lieferheld oder Foodora in Deutschland aufgebaut hat, ist zuletzt stark gewachsen und eines der größten Unternehmen weltweit im Bereich der Essenslieferdienste geworden. Im vergangenen Jahr hat man sein deutsches Geschäft an den Konkurrenten Takeaway.com – heute Just Eat Takeaway verkauft.

Doch aktuell geht das starke Umsatzwachstum auf Kosten der Profitabilität. So erwirtschaftet Delivery Hero noch keinen Gewinn, ist aber aufgrund seines Marktwertes und auch aufgrund der Größe des Aktienhandelsumsatzes in den Kreis der 30 wichtigsten Konzerne des Landes aufgenommen worden.
Wie gut steht Delivery Hero wirtschaftlich aktuell da und wie funktioniert überhaupt das Geschäftsmodell? Was sind die Stärken und Schwächen des Essenslieferdienstanbieters?

Daten und Fakten
Im Mai 2011 gründete der heutige CEO Niklas Östberg Delivery Hero und begann den Aufbau eines weltweit führenden Geschäfts in der Online-Bestellung von Lebensmitteln. Täglich gehen bis zu 4 Millionen Bestellungen ein. Eigene Lieferservices werden in über 600 Städten weltweit angeboten. Derzeit kommt Delivery Hero auf eine Marktkapitalisierung von ca. 18 Mrd. Euro und einen Jahresumsatz von knapp 2 Mrd. Euro. Der Aktienkurs konnte in den letzten Jahren stark zulegen.

 

 

Erwartet wird in diesem Jahr ein Umastz von 2,6 bis 2,8 Mrd. Euro. Die Berliner sind vor allem auf Märkten in Asien, dem Nahen Osten und Nordafrika stark aufgestellt. Durch regelmäßige Zukäufe wie kürzlich durch den Online-Marktplatz Glovo für bis zu 230 Mio. Euro soll die Präsenz in Lateinamerika ausgebaut werden. Das Umsatzwachstum der letzten drei Jahre betrug im Schnitt 62 Prozent p.a. So stark das Umsatzwachstum auch aktuell ist, der freie Cashflow ist negativ, auch die Bruttomarge leicht rückläufig, letztlich ist auch der operative Gewinn negativ. Die Bestellungen haben sich auf Jahresbasis fast verdoppelt, der insgesamt vermittelte Umsatz über die Plattform stieg um 66 Prozent.

 

Quelle: Investor Relations Delivery Hero Q2 2020 Bericht

Wie funktioniert das Geschäftsmodell?

In der Unternehmenspräsentation stellt Delivery Hero das eigene Geschäftsmodell dar. Der Nutzer sucht zuerst, gibt eine Bestellung auf, das Restaurant erhält die Bestellung und bereitet das Essen zu. Anschließend wird das Essen ausgeliefert (entweder vom Restaurant selbst oder über Lieferanten von Delivery Hero) und am Ende isst der Käufer das zubereitete Essen.

 

Quelle: Unternehmenspräsentation Delivery Hero

Bei jeder gebuchten Essensbestellung behält sich Delivery Hero einen Anteil des Bestellwerts (die sog. Take Rate). Diese liegt im Schnitt zwischen 15 und 25 Prozent. Dies kommt immer darauf an, ob Lieferanten direkt bei dem jeweiligen Essenslieferdienst angestellt sind oder die Lieferung vom Restaurant selbst durchgeführt wird und somit die Bestellung nur vermittelt wird. Durchschnittlich liegt die Bestellgröße bei etwa 20-25 Euro (bzw. US-Dollar) und Unternehmen in diesem Markt kommen auf eine Bruttomarge von 55-70 Prozent.

Wenn wir uns den Gesamtmarkt ansehen, so wird der weltweite Food-Markt auf 7,5 Billionen Euro geschätzt. Ca. 10-15 Prozent davon dürften auf den Bereich für Essenslieferungen fallen. Delivery Hero sieht den Markt in ihrer Präsentation, aufgeteilt in den gesamten Essensmarkt (grau), Essensservices (gelb) und den Markt für Essenslieferungen (grün) folgendermaßen:

 

Quelle: Unternehmenspräsentation Delivery Hero

 

Uber schätzt den relevanten Markt für Essenslieferdienste sogar auf 2,8 Billionen Dollar. Je nach Studienlage soll das Wachstum des Marktes für Online-Essensbestellungen um 7,5 – 10 Prozent p.a. wachsen. Durch die Corona-Krise wurde der Markt natürlich um einiges beschleunigt. Ca. 10 Prozent der Essensbestellungen werden aktuell weltweit erst online getätigt.

 

Quelle: Unternehmenspräsentation Delivery Hero

Stärken und Schwächen

Beginnen wir mit den Stärken von Delivery Hero: Das Unternehmen konnte im Jahresvergleich seinen Umsatz fast verdoppeln und hat prinzipiell ein schlankes Geschäftsmodell, mit Ausnahme der eigenen Lieferfahrer. Im Zuge der Übernahme des Deutschlandgeschäfts von Delivery Hero durch JustEat Takeaway hat Delivery Hero einen 10 Prozentigen Anteil an Aktien erhalten. Somit profitiert man auch von der direkten Konkurrenz. Je mehr Restaurants und Kunden ein Anbieter wie Delivery Hero hat, desto höher sind die Skalen- und Netzwerkeffekte bei der Zustellung. Somit können Umsätze langfristig bei gleichzeitig geringeren ansteigenden Kosten erhöht werden. Dies hat höhere Gewinnmargen und günstigere Angebote für Restaurants und Kunden zur Folge. Delivery Hero fokussiert sich dabei auf Nordafrika, den Mittleren Osten und teilweise auch auf Europa.

Kommen wir zu den Schwächen des Unternehmens: Delivery Hero ist vor allem in Schwellenländern aktiv. Im Vergleich konzentriert sich Konkurrent JustEat Takeaway auf Mitteleuropa, Uber Eats auf Hauptstädte und vor allem auf die USA. Die Eroberung der Märkte in Schwellenländern kann deutlich länger dauern als in Industrienationen. Die Länder sind oft instabiler, und die Bevölkerung ländlicher. In den letzten Geschäftsberichten ist auch die Bruttomarge deutlich gesunken, was dem starken Wachstum geschuldet ist (Eintritt in neue Märke erfordern oft geringere Margen). Gemessen am Börsenwert ist Delivery Hero der größte Essenslieferdienst, gemessen am Außenumsatz nach Uber Eats der zweitgrößte. Es wird aufgrund der starken Konkurrenz einen harten Kampf um Marktanteile geben. Gerade das dürfte zumindest kurzfristig viel Geld kosten.

Der Gesamtmarkt ist nicht leicht zu bewerten, das Unternehmen ist noch defizitär und es gibt auch noch keinen Hinweis darauf, ab wann Delivery Hero profitabel wirtschaften kann. In vielen Ländern ist das Unternehmen jedoch bereits Marktführer, das als Chance gesehen werden kann, durch mögliche Skaleneffekte die Margen langfristig zu erhöhen.
Durch das, dass Delivery Hero noch nicht profitabel ist, birgt ein Investment durchaus ein höheres Risiko. Für mich stellt sich die Frage: Wie lange wird es dauern, bis Delivery Hero profitabel ist bzw. wird es das Unternehmen jemals schaffen, dieses Ziel zu erreichen?

 

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Liebe Anleger,

ich wünsche Ihnen noch viele erfolgreiche Investments!

Bis zur nächsten spannenden Story,

Michael Seibold

 

Verwendete Tools:


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Bildherkunft: https://unsplash.com/photos/zFGZ31-t-Bg