Wirecard: Für mich ein ganz klarer Kauf

Michael Seibold ist als freier Redakteur beschäftigt. Artikel von freien Redakteuren stellen deren eigene Meinung dar und müssen mit der von aktien nicht korrespondieren.

Liebe Leser,

Die Meinungen über den Zahlungsdienstleister Wirecard aus dem DAX gehen derzeit soweit auseinander wie bei keiner anderen DAX-Aktie. Aufgeheizte Stimmungen, gegenseitige Interessenlager, Wirtschaftsprüfer und neuerdings auch noch die Bafin bestimmen die Anlegergemeinde. Die Erwartung auf die Ergebnisse der Wirtschaftsprüfer KPMG war hoch. Sie konnten aber keine wirkliche Aussage über die Bilanzierung von Wirecard treffen, weil ihnen wichtige Dokumente der Drittpartner fehlten.

Drittpartner Al Alam aus Dubai verlagert seine Geschäfte

Am vergangenen Freitag kam dann noch die Meldung, dass der umstrittene Geschäftspartner Al Alam aus Dubai aufgrund eines entstandenen Reputationsschadens seine Gesellschaft Al Alam Solutions FZ LLC schließt und sein Geschäft auf andere Konzerngesellschaften unter seiner Dachorganisation überträgt. Wichtig hier zu verstehen ist, dass Wirecard durch diese Übertragung auf eine andere Gesellschaft keine Beeinträchtigung der Abwicklungsfähigkeit bzw. bei den Transaktionsvolumina entstehe. Für die Kritiker und Short-Seller war das natürlich ein gefundenes Fressen und ließen den Kurs am Freitag in der Spitze bis auf 72 Euro einstürzen. Die Shortpositionen sind mittlerweile auf über 10 Prozent gestiegen. In diesem Zusammenhang sollte man verstehen, dass Wirecard vor allem in Ländern, in denen der Konzern keine eigenen Lizenzen besitzt, anfallendes Transaktionsvolumen über sogenannte Drittpartner abwickelt – einer davon war eben Al Alam Solutions aus Dubai.

Vor allem in der Artikelserie der "Financial Times" wurde an den Geschäften mit solchen Drittpartnern, die einen nicht unwesentlichen Teil der abgewickelten Transaktionen bei Wirecard ausmachen, Kritik geübt worden. Auf diese Vorwürfe habe Wirecard-Vorstandschef Markus Braun reagiert, indem man die Transparenz solcher Drittpartnergeschäfte verbessern wolle. Eine eigene Datenplattform soll es den Prüfern erleichtern, eine bessere Beurteilung dieser Geschäfte stattfinden zu lassen. Auch möchte das Unternehmen Schritt für Schritt vermehrt auch in solchen Ländern eigene Lizenzen beantragen, in denen das Unternehmen noch keine besitzt.

Umbau im Vorstand

Wirecard hat mit Sicherheit bezüglich ihrer Kommunikation nach außen Fehler gemacht. Aber es läuft aktuell durch Umstrukturierungen im Vorstand einiges in die richtige Richtung. CEO Braun muss einen Teil seiner Macht abgeben und wird sich in Zukunft rein auf strategische Entscheidungen fokussieren. Ebenfalls möchte man durch ein neu gegründetes Compliance-Ressort das Vertrauen der Investoren wiederherstellen. Bereichsleiter des neuen Compliance-Ressorts soll ab 01. Juli James Fries werden, ein internationaler anerkannter Compliance Experte.

Analyst Knut Woller von der Baader Bank habe die Hoffnung, dass sich der Kapitalmarkt nun wieder auf den fundamentalen Wert des Geschäftsmodells fokussieren kann. Analystin Heike Pauls von der Commerzbank sprach von den angekündigten Beschlüssen sogar von einem "Game Changer". Auch die Privatbank Hauck & Aufhäuser sieht einen Schritt hin zur Wiedererlangung des Vertrauens. Zudem soll der Vorstand um zwei weitere Sitze auf dann insgesamt sieben erweitert werden. Das für das Tagesgeschäft zuständige Ressort des Chief Operating Officer soll in seinen Zuständigkeiten neu aufgestellt werden und unter eine neue Leitung gestellt werden. Auch durch ein neu geschaffenes Vertriebsressort, indem sämtliche Aktivitäten und Strategien gesteuert werden sollen, möchte der Konzern seine Kommunikation verbessern. Die Finanzmarktkommunikation soll dann direkt beim Finanzchef Alexander von Knoop angesiedelt werden. Aufsichtsratschef Eichelmann, der erst im Januar Wulf Matthias an der Spitze des Kontrollorgans abgelöst hatte, versucht damit eine Neuordnung und eine Verteilung der Macht auf mehrere Personen.

Fundamental stark

Gemessen an den fundamentalen Kennzahlen ist Wirecard derzeit der mit Abstand günstigste DAX-Titel. Wirecard ist in einem absoluten Zukunftsmarkt positioniert und hat eine rosige Zukunft vor sich. Die Kritiker sollten sich immer vor Augen führen, dass bislang alle Unkenrufe und intensiven Prüfungen keine Fälschung der Bilanz von Wirecard nachweisen konnten. Trotz der Corona-Krise ist Wirecard auch im ersten Quartal 2020 stark zweistellig gewachsen. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen legte um 26 Prozent auf 199,2 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahresquartal zu. Um Einmalaufwendungen bereinigt wäre das operative Ergebnis im ersten Quartal sogar um 29 Prozent gewachsen. Auch die Umsätze konnten um 24 Prozent auf 700,2 Millionen gesteigert werden.

Wirecard hat zwar die Covid-19-Auswirkungen vor allem mit den wichtigen Kunden bei Fluggesellschaften und aus der Reisebranche gespürt, allerdings konnten die Effekte weitestgehend durch Zuwächse im Online-Geschäft in den Bereichen Konsum- und Digitale Güter ausgeglichen werden. Das Neukundengeschäft entwickelte sich weiterhin stark. Wirecards Kerngeschäft ist wachstumsstark und hochprofitabel. Eine Börsenbewertung von 10 Milliarden Euro angesichts eines in diesem Jahr angestrebten operativen Ergebnis in Höhe von 1 bis 1,12 Milliarden Euro scheint komplett ungerechtfertigt. In dem aktuellen Kurs ist so viel negatives eingepreist, sodass jede noch so kleine positive Nachricht den Short-Sellern Kopfzerbrechen bereiten sollte und ein Kursfeuerwerk auslösen dürfte.

wirecard-zahlen Quelle: Unternehmenshomepage Wirecard

Was sagt der Chart?

Die Kursmarke bei 77 Euro (Xetra-Schlusskurs am Freitag) hat gehalten. Die Bedeutung dieser Kursmarke erscheint sehr wichtig, da genau auf diesem Niveau das 76,4 % Fibonacci-Retracement der steilen Aufwärtsbewegung seit Dezember 2016 liegt. Diesen mächtigen Stützpunkt wird der Kurs nicht ohne weiteres aufgeben. Auch die untere Abwärtskanallinie hat gehalten, wurde lediglich im Tagesverlauf unterschritten. Fehlausbrüche ziehen meist entgegensetzte Kursentwicklungen nach sich. Dies haben wir Ende April auch an der oberen Trendkanalbegrenzung sehen dürfen. Natürlich braucht es für eine nachhaltige Wende auch fundamental untermauerte positiven Nachrichten. Die Chancen stehen sehr gut, dass wir zwischen 75 und 80 Euro einen Boden ausgebildet haben.

wirecard-chartanalyse

Fazit

Die Vorteile liegen auf der Hand. Starke Fundamentaldaten, ein Umbau im Vorstand, besonders hervorzuheben der Aufbau eines neuen Compliance Ressorts. Der Schritt für Schritt angekündigte Ausstieg aus dem umstrittenen Drittpartnergeschäft sowie die Charttechnik mit dem Halten der Kursmarke des 76,4 % Fibonacci-Retracements ermöglichen ansteigende Kurse. "When all the noise and dust settles, Wirecard will still be a company that generates a billion Euro of EBITDA this year and is one of the fastest growing in its industry", so CEO Brauns Botschaft. Ich bin klar bullisch für die Aktie von Wirecard und gehe im Laufe des Jahres von deutlichen dreistelligen Kursen aus. Deswegen habe ich meine Position bei 85 sowie 76 Euro ausgebaut.

Liebe Anleger,

ich wünsche Ihnen noch viele erfolgreiche Investments!

Bis zur nächsten spannenden Story,

Michael Seibold

Aufklärung über Eigenpositionen: Michael Seibold hält Aktien von Wirecard

Verwendete Tools:

TraderFox Trading-Desk: https://desk.traderfox.com

Aktien-Terminal: https://aktie.traderfox.com

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Bildherkunft: eigene Analyse