Portfoliocheck: Kehrt Value Investor Chris Davis der Online-Bildung jetzt den Rücken?

Christopher "Chris" Cullom Davis wurde das Investieren bereits in die Wiege gelegt und so leitet er heute in dritter Generation das Geschäft der unabhängigen im Besitz von Mitarbeitern befindlichen Investmentgesellschaft Davis Selected Advisers ("Davis Advisors"). Dabei agiert Davis Advisors als langfristiger Investor und orientiert sich bei der Aktienauswahl an den "Owner Earnings".

Die Ursprünge des Unternehmens gehen auf den legendären Investor Shelby Cullom Davis zurück, einen führenden Finanzberater von Gouverneuren und Präsidenten. Dieser gründete das Unternehmen Shelby Cullom Davis & Company in den späten 1940er Jahren mit einer Anfangsinvestition von 100.000 US-Dollar. Bei Ende seiner Karriere Anfang der 1990er Jahre hatte er hieraus über 800 Millionen Dollar gemacht.

Sein Sohn Shelby Moore Cullom Davis gründete 1969 das heutige Unternehmen Davis Advisors, das inzwischen ein Vermögen von fast 30 Milliarden Dollar verwaltet. Die Davis-Familie, Mitarbeiter von Davis Advisors sowie Fondsdirektoren haben hiervon selbst mehr als zwei Milliarden Dollar investiert.

Seit seiner Gründung setzt Davis Advisors auf ein und dieselbe bewährte Anlagephilosophie und investiert langfristig in Unternehmen, die man zu günstigen Preisen eingesammelt hat. Man versteht Aktien als Eigentumsanteile an realen Unternehmen und nicht als Wettscheine auf Kursschwankungen. Daher investiert Davis Advisors viel Zeit und Ressourcen für eine gründliche fundamentale Analyse der Unternehmen mit dem Schwerpunkt auf dem Konzept der "Owners Earnings", das auch Warren Buffett bevorzugt.

Verkürzt dargestellt, errechnet sich diese "normalisierte Ertragskraft des Unternehmens" aus dem Nettoergebnis zuzüglich Abschreibungen und Amortisation abzüglich der Kapitalkosten. Im Gegensatz zum Free Cashflow berücksichtigen die Owners Earnings also nur Positionen, die sich auf den Gewinnanteil der Eigentümer auswirken. Während der Free Cashflow auch alle nicht cash-wirksamen Effekte und sämtliche Kapitalkosten enthält, werden bei den Owners Earnings hier nur die Kosten angesetzt, die zur Unterhaltung des laufenden Geschäfts anfallen.

Mit diesem Ansatz ist Davis Advisors sehr erfolgreich und die heute in dritter Generation von Chris Davis geführte Gesellschaft managt ein gutes Dutzend Fonds und ETFs. Der älteste davon, der Davis New York Venture Fund, existiert bereits seit dem Jahr 1969. Er kommt auf eine durchschnittliche jährliche Rendite von 11,7%, womit er alle großen Indizes um Längen schlägt.

Top Transaktionen im 1. Quartal 2020

Im ersten Quartal ließ es Chris Davis für seine Verhältnisse krachen; die Turnoverrate von Davis Advisors stieg auf fünf Prozent. Im Bestand befanden sich 123 Unternehmen, darunter drei Neuaufnahmen.

Chris Davis hat erneut bei vielen Aktienpositionen kleinere Teilverkäufe vorgenommen. Als Muster lässt sich erkennen, dass er auch im Auftaktquartal bei Bankwerten selektiv zugekauft hat, während er bei Technologiewerten auf der Verkaufsseite stand.

Aufgestockt hat er bei U.S. Bancorp um 56 Prozent und bei Capital One um 21 Prozent.

Bei Raytheon liegt eine Sondersituation vor. Der Rüstungskonzern wurde vom Mischkonzern United Technologies übernommen, wofür sich United Technologies von zwei Konzernbereichen trennen musste. Die Aufzugssparte Otis Worldwide sowie die Heizungs-und Kühlsparte Carrier Global wurden als Spin-Off separat an die Börse ausgegliedert. Mit der Übernahme wird Raytheon vom Kurszettel verschwinden und United Technologies in Raytheon Technologies umbenannt werden. In Davis Depot sind per Ende März noch beide Unternehmen enthalten, da die Umsetzung erst Anfang April stattfand.

Im Technologiesektor verkaufte Davis erneut Anteile von Amazon, Alibaba, Alphabet und Microsoft sowie New Oriental Education. Hier war Davis erstmals 2016 eingestiegen bei Kursen um die 40 Dollar und hatte seinen Anfangsbestand von 320.000 auf über 11 Millionen Aktien immer weiter ausgebaut. Er war mit sieben Prozent aller Aktien der mit Abstand größte Aktionär. im Vorquartal verkaufte Chris Davis allerdings rund vier Prozent seines Bestands und reduzierte diesen nun um ein ganzes Drittel, so dass er nun noch knapp 4,3 Prozent hält, so dass ihn BlackRock als größter Anteilseigner abgelöst hat.

Top Positionen am Ende des 1. Quartals 2020

Im Portfolio von Davis Advisors liegen Finanzwerte mit 37,8 Prozent weiter unangefochten an der Spitze, gefolgt von Communication Services mit 15,4 Prozent, zyklischen Konsumwerten mit 13,8 Prozent und Technologiewerten mit 12,5 Prozent.

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Chris Davos größte Position ist Alphabet mit 9,66 Prozent, wenn man die A- und C-Aktien zusammenzählt. Auf Platz zwei folgt Amazon mit 6,37 Prozent, bevor mit Capital One, Wells Fargo und Berkshire Hathaway drei Werte aus dem Finanzsektor folgen. Dabei rutschte Wells Fargo aufgrund des Teilverkaufs gleich um drei Plätze ab, während sich Capital One trotz der Aufstockung auf den dritten Rang verschlechterte.

Der ehemals größte Depotwert New Oriental Education fiel auf den sechsten Rang, noch hinter Applied Materials, und bringt nur noch gut fünf Prozent Depotanteil auf die Waage. Mit Facebook und Alibaba folgen zwei weitere Technologiewerte vor den beiden US-Großbanken JPMorgan Chase und Bank of New York Mellon.

Aktie im Fokus: New Oriental Education

Der Markt für Private Bildung in China umfasst 400 Milliarden Dollar und New Oriental Education (EDU) ist hier der größte Anbieter privater Bildungsdienstleistungen. Online Aus- und Weiterbildung ist ein Boom-Markt und in einer immer digitaler werdenden Welt liegt es geradezu auf der Hand, sich in diesem Markt aussichtsreich zu positionieren. Aber auch Offline steigt die Nachfrage nach Bildung weiter an, weil in vielen Ländern das öffentliche Schulsystem zunehmend versagt.

Seit 1993 haben sich mehr als 45 Millionen Studierende für einen der Kurse von EDU angemeldet. EDUs Netzwerk umfasst 83 Städte in China und fast 34.000 Lehrkräfte unterrichten in 1.233 Lernzentren, zu denen auch 95 Schulen gehören. Darüber hinaus betreibt EDU 15 Buchhandlungen in China und kann auf ein Netzwerk von 160 Drittanbietern zurückgreifen. New Oriental Education ist eine der bekanntesten Bildungsmarken in China und genießt hohes Vertrauen.

Dabei erzielte New Oriental im Jahr 2019 etwas mehr als drei Milliarden Dollar Umsatz und angesichts des Marktvolumens von 400 Milliarden Dollar zeigen diese weniger als ein Prozent Marktanteil das enorme Potenzial an, das hier noch schlummert. Zumal sich in China seit etwa 15 Jahren eine schnell wachsende vermögende Mittelschicht herausbildet und das vormals landwirtschaftlich geprägte Land mit Riesenschritten zum Westen aufholt. Hieraus ergeben sich enorme Wachstumsraten, was sich auch bei der Bildung zeigt. Während in Europa und Nordamerika viele Menschen zu satt sind und glauben, der Staat oder die Gesellschaft schulde ihnen etwas, ist gerade Asien von einer anderen Mentalität geprägt, von Wissbegierde, Fortschrittsstreben und Unternehmergeist.

Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass asiatische Familien bis zu 15 Prozent ihres Einkommens für diese Bildungsdienstleistungen ausgeben, während US-Amerikaner gerade mal zwei Prozent aufwenden. Dabei liegt das Durchschnittseinkommen der Amerikaner natürlich deutlich über dem der Asiaten, was den etwas niedrigeren Anteil der Bildungsausgaben am Gesamteinkommen teilweise erklärt. Andererseits zeigt sich auch, dass Chinesen der Bildung und damit den Aufstiegschancen für sich und ihre Kinder einen wesentlich höheren Stellenwert beimessen.

China hat längst erkannt, dass es seine Bürger besser ausbilden muss, wenn es nicht die billige Werkbank der Welt bleiben will. Der Fünfjahresplan Chinas fördert daher ausdrücklich Unternehmertum und Innovationen und er unterstreicht die Notwendigkeit, die Hochschulbildung zu unterstützen. Das kommt New Oriental Education natürlich zugute.

New Oriental Education bleibt auf Erfolgskurs

Bevor das Corona-Virus zugeschlagen und in China bereits kurz nach dem Jahresstart zu Lockdown und Ausgangsbeschränkungen geführt hat, war der Konzern Branchenführer und der Ruf seiner Einrichtungen war hervorragend. An dieser Marktstellung hat sich nichts geändert. Unternehmensgründer Michael Yu verfolgt eine klare Vision und leitet auch heute noch die Geschäfte. Yu setzt auf eine innovative und inspirierende Anwendung humorvoller und interaktiver Unterrichtstechniken, ohne dabei die traditionellen chinesischen Bildungswerte zu vernachlässigen.

Eltern können Kinder im Alter von bis zu drei Jahren in den EDU-Klassen Englisch, Chinesisch, Mathematik, Musik und Kunst einschreiben und diese Lernprogramme setzten sich durch die Mittel- und Oberschule fort, wenn die Studienprogramme auf jeder Stufe technischer werden. Nach den Schulabschlüssen, die EDU ebenfalls unterstützt durch spezielle Prüfungsvorbereitungskurse, kümmert sich EDU auch um die begleitende Berufsausbildung. Dabei werden auch bei technischen Berufsbildern ergänzende Kenntnisse vermittelt aus den Bereichen Marketing, Buchhaltung und Personalwesen. Dadurch bekommen die Ausgebildeten nicht nur einen breiteren Horizont und können über den Tellerrand ihrer späteren Tätigkeit hinaus blicken und unternehmerische Zusammenhänge besser verstehen, sondern sie haben auch viel bessere Voraussetzungen für einen möglichen Start in die Selbstständigkeit. New Oriental Education trifft mit seinem Bildungsansatz und seinen Angeboten genau den richtigen Nerv.

Allerdings traf Corona auch die Bildungseinrichtungen von EDU mit voller Wucht. Die stationären Bildungszentren mussten geschlossen werden und das Verlagern sämtlicher Angebote in die Onlinewelt stellte EDU vor große Herausforderungen. Hier kam dem Unternehmen natürlich zugute, dass die Kunden bereits zuvor schon einen erheblichen Anteil der Kurse online absolviert haben. EDU geht davon aus, dass Corona noch mindestens die nächsten zwei Quartale größere Auswirkungen auf sein Geschäft haben wird.

Seit Ende Januar hat New Oriental Education sämtliche seiner Offline-Klassen auf sein OMO-System (Offline Merging Online) umgestellt. Die Nachfrage nach Kooleran, dem Online Angebot, stieg im betreffenden dritten Geschäftsquartal um 18,7 Prozent, während dessen übliche Wachstumsrate in zwischen acht und zehn Prozent gelegen hätte.

Diese Erfolge stehen Stornierungen aufgrund der wirtschaftlich schwierigen Lage vieler Chinesen gegenüber und natürlich den Ausfällen im klassischen Bereich aufgrund der Schließungen der Bildungseinrichtungen. China ist dies bezüglich Europa und besonders den USA zeitlich einige Monate voraus, und die schon länger erfolgenden Lockerungen bringen spürbare Erleichterungen mit sich. Dennoch leiden die soeben vermeldeten Zahlen zum vierten Geschäftsquartal noch deutlich unter den Corona-Auswirkungen.

So ist der Umsatz mit Bildungsprogrammen und -dienstleistungen im vierten Geschäftsquartal um 7,3 Prozent auf 664,9 Millionen Dollar zurückgegangen. Es ist schwieriger geworden, neue Kunden zu gewinnen und es gab eine Verzögerung bei der Einschreibung von Schülern für die Sommer- und Herbstkurse. Das Geschäft mit Testvorbereitungen in Übersee ging um rund 52 Prozent zurück, während das Geschäft mit Studienberatung in Übersee um gut sechs Prozent zulegte. Die Gesamtzahl der eingeschriebenen Studenten fiel im Jahresvergleich um 6,2 Prozent auf 2.585.600.

Die weiteren Aussichten

Corona wird noch länger eine große Herausforderung bleiben und die Geschäfte beeinträchtigen. Das betrifft allerdings auch die Wettbewerber. Und wer nicht auf Onlineangebote umswitchen kann, steht momentan besonders unter Druck, so dass sich hier für EDU zusätzliche Wachstumschancen ergeben.

Dabei hat der größte Konkurrent TAL Education zusätzlich noch mit einem hausinternen Skandal zu kämpfen, weil er seine Umsätze künstlich aufgebläht hat. Was nach dem Skandal bei Luckin Coffee allerdings in Bezug auf China-Aktien und deren Bilanzierung eine erhöhte Skepsis hervorruft. Hinzu kommen die sich wieder verschärfenden Spannungen zwischen den USA und China, zumal ein wichtiger Teil der Einnahmen mit Chinesen erzielt werden, die in den USA wohnen.

Die Chancen in Chinas Bildungsmarkt sind weiterhin enorm. 70 Prozent der schulpflichtigen Kinder leben in Regionen, wo es keinen adäquaten Zugang zum Bildungssystem gibt, so dass sich hier Online-Bildung als Lösungsansatz geradezu aufdrängt. Bisher konnte sich EDU als Marktführer erst knapp ein Prozent des Gesamtmarktes von 400 Milliarden Dollar erschließen und abgesehen von TAL Education gibt es keine größeren Wettbewerber in diesem sehr fragmentierten Markt. New Oriental Education profitiert aufgrund seiner Größe von zunehmenden Skalierungsvorteilen, je mehr Studenten sich seinem Netzwerk anschließen. Diese Vorteile bieten sich den kleineren, oftmals lokalen Anbietern nicht in diesem Maße.

Daher dürfte EDU als Marktführer weiterhin erste Wahl bleiben in Chinas wachsendem Bildungsmarkt. Was uns zu der Frage führt, weshalb Chris Davis gerade bei EDU seinen Anteil so deutlich reduziert hat. Im ersten Quartal war China noch der Hotspot des Corona-Schreckens, so dass hierin der Grund zu finden sein könnte. Als größter Aktionär des Unternehmens hat Chris Davis hier vielleicht nur seine Risikoverteilung adjustiert. Gut möglich ist auch, dass er bereits zum Jahresstart seinen Aktienanteil reduziert hat, da er ja bereits im 2019er Schlussquartal erstmals rund 4,5 Prozent verkauft hatte. Insofern hat er vielleicht lediglich Gewinne mitgenommen, nachdem sich der Aktienkurs in 2019 mehr als verdoppelt und gegenüber seinem ersten Einstiegskurs mehr als verdreifacht hatte.

Interessant wird jedenfalls, wie sich die New Oriental-Position von Chris Davis im zweiten Quartal entwickelt hat, ob er weiter reduzierte oder aufgrund der Lockerungen und absehbaren wirtschaftlichen Erholung in China seinen Bestand sogar wieder ausgebaut hat. Wir werden es bald erfahren. Der Aktienkurs markierte im Juli jedenfalls neue Allzeithochs.


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