Meine Wirecard Lessons Learned
Liebe Leser,
bereits am 18. Mai habe ich einen Artikel über den Zahlungsdienstleister Wirecard veröffentlicht. Zu dieser Zeit hatte ich Wirecard noch das Vertrauen ausgesprochen und hielt die Chance für groß, dass wir wieder deutlich dreistellige Kurse sehen.
Leider ließ ich mich von den immer wieder starken fundamentalen Daten sowie den guten Zukunftsaussichten täuschen und möchte mich bei Ihnen für die Fehleinschätzung entschuldigen. Seit gestern hat die Wirecard-Aktie bis zu 80 Prozent ihres Wertes verloren, da die Abschlussprüfer Ernst & Young über Bankguthaben auf Treuhandkonten in Asien in Höhe von 1,9 Milliarden Euro keine ausreichenden Prüfungsnachweise erlangen konnten. Somit wurde bereits der vierte angekündigte Termin (zuerst: 8. April, dann 30. April, 4. Juni sowie gestern der 18. Juni) für die Vorlage des Jahresabschlusses auf unbestimmte Zeit verschoben.
Wirecard spricht selbst von "Hinweisen, dass dem Abschlussprüfer von einem Treuhänder bzw. aus dem Bereich der Banken unrichtige Saldenbestätigungen zu Täuschungszwecken vorgelegt wurden" – sie sehen sich selbst als Opfer eines Betruges – wieder einmal weisen sie von ihrer eigenen Schuld ab. Die Kommunikation nach außen ist ein Desaster und machte es auch immer so schwierig, letztendlich den Wahrheitsgehalt überprüfen zu können. Alles in allem ist Wirecard eine Dauerwette auf die Glaubwürdigkeit des Managements gewesen.
Gestern kam dann das Pulverfass zum Überlaufen. Am gestrigen Abend wurde Vorstandsmitglied Jan Marsalek mit sofortiger Wirkung von seiner Tätigkeit freigestellt. Wirecard-Vorstandschef Markus Braun habe im Zuge des Bilanzskandals heute ebenfalls seinen Rücktritt angekündigt. Interims-Chef wird der erst am Vorabend in den Vorstand berufene US-Manager James Freis. Dadurch, dass bis heute noch kein testierter Jahres- und Konzernabschluss vorgelegt wurde, droht dem Unternehmen Kündigungen von Krediten in Höhe von circa zwei Milliarden Euro. Derzeit befinde sich Wirecard in konstruktiven Gesprächen mit seinen kreditgebenden Banken hinsichtlich der Fortführung der weiteren Geschäftsbeziehung.
Dem Zahlungsdienstleister wurde Bilanzmanipulation, illegale Überwachung von Journalisten und Investoren sowie noch viele andere Dinge vorgeworfen. Anfang des Jahres sollte KPMG als Sonderprüfer einen Ausschnitt der Vorwürfe adressieren. Doch vorsätzliche Täuschung nachzuweisen durch externe Prüfer gestaltet sich schwierig bis unmöglich. Ich habe mir bei all den Vorwürfen immer gedacht: Wenn namhafte Wirtschaftsprüfer über Jahre hinweg die Jahresabschlüsse testierten, kann nicht so viel an den Beschuldigungen dran sein.
Leider musste ich jetzt feststellen, dass dies ein Irrglaube war und der eigentliche Skandal bei den Wirtschaftsprüfern liegt. Wie kann es sein, dass führende Wirtschaftsprüfer die Existenz von milliardenschweren Konten nicht richtig überprüfen können? Weder Ernst & Young, noch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung nahm einen Anstoß an den Bilanzen. Auch die Finanzaufsicht Bafin reagierte auf die ersten kritischen Berichte in der "Financial Times" Anfang 2019 mit einem Leerverkaufsverbot und berief sich darauf, dass die Ereignisse "eine ernstzunehmende Bedrohung für die Finanzstabilität oder das Marktvertrauen in Deutschland" darstellen könnten. Durch das Leerverkaufsverbot hatte man das Gefühl, dass die "Bösen" nicht Wirecard selbst, sondern die Leerverkäufer und kritischen Medien seien. Wir wurden seit gestern des Besseren belehrt und wissen nun, dass nicht die Medien und Leerverkaufspositionen eine Bedrohung für das Marktvertrauen waren, sondern die katastrophale Bilanzqualität und mangelnde Governance von Wirecard selbst.
Misstrauen und Zweifel gehören zu einer Aktienanalyse
Wenn Zahlen und Fundamentaldaten zu gut, um wahr zu sein, aussehen, darf man sich nicht blind in eine Aktie verlieben. Es hat mich schockiert, dass Bilanzbetrug auch bei einem DAX-Konzern stattfinden können. Renommierte deutsche Fondsgesellschaften waren massiv investiert, Analysten vergaben hohe Kursziele. Kritische Stimmen sollte man besonderer Aufmerksamkeit schenken, auch wenn sie nicht der eigenen bullischen Meinung entsprechen. Mir fehlen teils die Worte, dass auch die Bafin als Regulierungsbehörde versagt hat. Als Privatanleger muss man womöglich erst einmal das nahezu Unmögliche einer Bilanzfälschung bei einem aufstrebenden Wachstumsunternehmen aus dem DAX erlebt haben, um daraus einen Schluss für die Zukunft zu ziehen. In diesem Zusammenhang habe ich gelernt, zuerst einen Blick auf das Management zu werfen als auf die Zahlen. Auch ist mein Vertrauen in die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beschädigt, deshalb werde ich in Zukunft lieber zweimal hinschauen und mehr das Management betrachten.
Schmerzhafte Verluste gehören zum Börsenleben dazu
Würden Sie nach diesen Informationen heute noch Miteigentümer dieses Unternehmen werden wollen? Haben Sie jetzt noch Vertrauen in das Management bzw. können Sie nach heutigem Wissen noch einen Kauf mit Ihrem Gewissen vereinbaren? Wenn Sie diese Fragen nicht mehr klar beantworten können, sollte man über einen Verkauf nachdenken, denn es kann immer noch weiter bergab mit den Kursen gehen.
Diversifikation schützt vor höheren Verlusten
John M. Templeton sagte einmal: "Der einzige Investor, der nicht diversifizieren sollte, ist derjenige, der immer 100 Prozent richtig liegt." Da wir uns alle regelmäßig irren und nie immer in der Auswahl von Unternehmen richtig liegen können, sollten wir unser Vermögen auf mehrere Aktien streuen, da wir ansonsten Gefahr laufen, mit einem Unternehmen das ganze Depot zu ruinieren. Das bedeutet nicht, dass Sie es mit der Diversifikation übertreiben sollten, denn wenn Sie in zu viele Unternehmen investieren, haben Sie es ebenfalls schwer, alle Geschicke der Firmen nachzuvollziehen, jedoch schützt ein Mindestmaß an Aufteilung vor großen Verlusten.
Fazit
Kein Investor liegt immer richtig. Verluste gehören dazu, auch wenn es im Fall Wirecard auf eine besonders unschöne Art und Weise passierte. Aufgrund der vorgefallenen Dinge erlaube ich mir kein Urteil über Wirecard. Wie sich herausstellte, war es falsch, Wirecard positiv zu betrachten.
Liebe Anleger,
ich wünsche Ihnen noch viele erfolgreiche Investments!
Bis zur nächsten spannenden Story,
Michael Seibold
Aufklärung über Eigenpositionen: Michael Seibold hält Aktien von Wirecard
Verwendete Tools:
TraderFox Trading-Desk: https://desk.traderfox.com
Aktien-Terminal: https://aktie.traderfox.com
Tipp: Registriert euch kostenlos auf https://www.traderfox.de für das TraderFox Trading-Desk, um Kursalarme im Chart einzurichten und diese dann per Email oder per Push-Notification zu erhalten.
bereits am 18. Mai habe ich einen Artikel über den Zahlungsdienstleister Wirecard veröffentlicht. Zu dieser Zeit hatte ich Wirecard noch das Vertrauen ausgesprochen und hielt die Chance für groß, dass wir wieder deutlich dreistellige Kurse sehen.
Leider ließ ich mich von den immer wieder starken fundamentalen Daten sowie den guten Zukunftsaussichten täuschen und möchte mich bei Ihnen für die Fehleinschätzung entschuldigen. Seit gestern hat die Wirecard-Aktie bis zu 80 Prozent ihres Wertes verloren, da die Abschlussprüfer Ernst & Young über Bankguthaben auf Treuhandkonten in Asien in Höhe von 1,9 Milliarden Euro keine ausreichenden Prüfungsnachweise erlangen konnten. Somit wurde bereits der vierte angekündigte Termin (zuerst: 8. April, dann 30. April, 4. Juni sowie gestern der 18. Juni) für die Vorlage des Jahresabschlusses auf unbestimmte Zeit verschoben.
Wirecard spricht selbst von "Hinweisen, dass dem Abschlussprüfer von einem Treuhänder bzw. aus dem Bereich der Banken unrichtige Saldenbestätigungen zu Täuschungszwecken vorgelegt wurden" – sie sehen sich selbst als Opfer eines Betruges – wieder einmal weisen sie von ihrer eigenen Schuld ab. Die Kommunikation nach außen ist ein Desaster und machte es auch immer so schwierig, letztendlich den Wahrheitsgehalt überprüfen zu können. Alles in allem ist Wirecard eine Dauerwette auf die Glaubwürdigkeit des Managements gewesen.
Gestern kam dann das Pulverfass zum Überlaufen. Am gestrigen Abend wurde Vorstandsmitglied Jan Marsalek mit sofortiger Wirkung von seiner Tätigkeit freigestellt. Wirecard-Vorstandschef Markus Braun habe im Zuge des Bilanzskandals heute ebenfalls seinen Rücktritt angekündigt. Interims-Chef wird der erst am Vorabend in den Vorstand berufene US-Manager James Freis. Dadurch, dass bis heute noch kein testierter Jahres- und Konzernabschluss vorgelegt wurde, droht dem Unternehmen Kündigungen von Krediten in Höhe von circa zwei Milliarden Euro. Derzeit befinde sich Wirecard in konstruktiven Gesprächen mit seinen kreditgebenden Banken hinsichtlich der Fortführung der weiteren Geschäftsbeziehung.
Dem Zahlungsdienstleister wurde Bilanzmanipulation, illegale Überwachung von Journalisten und Investoren sowie noch viele andere Dinge vorgeworfen. Anfang des Jahres sollte KPMG als Sonderprüfer einen Ausschnitt der Vorwürfe adressieren. Doch vorsätzliche Täuschung nachzuweisen durch externe Prüfer gestaltet sich schwierig bis unmöglich. Ich habe mir bei all den Vorwürfen immer gedacht: Wenn namhafte Wirtschaftsprüfer über Jahre hinweg die Jahresabschlüsse testierten, kann nicht so viel an den Beschuldigungen dran sein.
Leider musste ich jetzt feststellen, dass dies ein Irrglaube war und der eigentliche Skandal bei den Wirtschaftsprüfern liegt. Wie kann es sein, dass führende Wirtschaftsprüfer die Existenz von milliardenschweren Konten nicht richtig überprüfen können? Weder Ernst & Young, noch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung nahm einen Anstoß an den Bilanzen. Auch die Finanzaufsicht Bafin reagierte auf die ersten kritischen Berichte in der "Financial Times" Anfang 2019 mit einem Leerverkaufsverbot und berief sich darauf, dass die Ereignisse "eine ernstzunehmende Bedrohung für die Finanzstabilität oder das Marktvertrauen in Deutschland" darstellen könnten. Durch das Leerverkaufsverbot hatte man das Gefühl, dass die "Bösen" nicht Wirecard selbst, sondern die Leerverkäufer und kritischen Medien seien. Wir wurden seit gestern des Besseren belehrt und wissen nun, dass nicht die Medien und Leerverkaufspositionen eine Bedrohung für das Marktvertrauen waren, sondern die katastrophale Bilanzqualität und mangelnde Governance von Wirecard selbst.
Misstrauen und Zweifel gehören zu einer Aktienanalyse
Wenn Zahlen und Fundamentaldaten zu gut, um wahr zu sein, aussehen, darf man sich nicht blind in eine Aktie verlieben. Es hat mich schockiert, dass Bilanzbetrug auch bei einem DAX-Konzern stattfinden können. Renommierte deutsche Fondsgesellschaften waren massiv investiert, Analysten vergaben hohe Kursziele. Kritische Stimmen sollte man besonderer Aufmerksamkeit schenken, auch wenn sie nicht der eigenen bullischen Meinung entsprechen. Mir fehlen teils die Worte, dass auch die Bafin als Regulierungsbehörde versagt hat. Als Privatanleger muss man womöglich erst einmal das nahezu Unmögliche einer Bilanzfälschung bei einem aufstrebenden Wachstumsunternehmen aus dem DAX erlebt haben, um daraus einen Schluss für die Zukunft zu ziehen. In diesem Zusammenhang habe ich gelernt, zuerst einen Blick auf das Management zu werfen als auf die Zahlen. Auch ist mein Vertrauen in die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beschädigt, deshalb werde ich in Zukunft lieber zweimal hinschauen und mehr das Management betrachten.
Schmerzhafte Verluste gehören zum Börsenleben dazu
Würden Sie nach diesen Informationen heute noch Miteigentümer dieses Unternehmen werden wollen? Haben Sie jetzt noch Vertrauen in das Management bzw. können Sie nach heutigem Wissen noch einen Kauf mit Ihrem Gewissen vereinbaren? Wenn Sie diese Fragen nicht mehr klar beantworten können, sollte man über einen Verkauf nachdenken, denn es kann immer noch weiter bergab mit den Kursen gehen.
Diversifikation schützt vor höheren Verlusten
John M. Templeton sagte einmal: "Der einzige Investor, der nicht diversifizieren sollte, ist derjenige, der immer 100 Prozent richtig liegt." Da wir uns alle regelmäßig irren und nie immer in der Auswahl von Unternehmen richtig liegen können, sollten wir unser Vermögen auf mehrere Aktien streuen, da wir ansonsten Gefahr laufen, mit einem Unternehmen das ganze Depot zu ruinieren. Das bedeutet nicht, dass Sie es mit der Diversifikation übertreiben sollten, denn wenn Sie in zu viele Unternehmen investieren, haben Sie es ebenfalls schwer, alle Geschicke der Firmen nachzuvollziehen, jedoch schützt ein Mindestmaß an Aufteilung vor großen Verlusten.
Fazit
Kein Investor liegt immer richtig. Verluste gehören dazu, auch wenn es im Fall Wirecard auf eine besonders unschöne Art und Weise passierte. Aufgrund der vorgefallenen Dinge erlaube ich mir kein Urteil über Wirecard. Wie sich herausstellte, war es falsch, Wirecard positiv zu betrachten.
Liebe Anleger,
ich wünsche Ihnen noch viele erfolgreiche Investments!
Bis zur nächsten spannenden Story,
Michael Seibold
Aufklärung über Eigenpositionen: Michael Seibold hält Aktien von Wirecard
Verwendete Tools:
TraderFox Trading-Desk: https://desk.traderfox.com
Aktien-Terminal: https://aktie.traderfox.com
Tipp: Registriert euch kostenlos auf https://www.traderfox.de für das TraderFox Trading-Desk, um Kursalarme im Chart einzurichten und diese dann per Email oder per Push-Notification zu erhalten.
Bildherkunft: https://unsplash.com/photos/ORDz1m1-q0I