Warum Anleger mit Ruhe und Gelassenheit investieren sollten

von Tim Schäfer
Wall Street Korrespondent

Liebe Leser,

Anleger fragen mich, was sie machen sollen angesichts des langen Bullenmarkts. Seit 8 Jahren klettert die Börse ununterbrochen. Nun warten Anleger auf die Korrektur oder gar auf den Crash. Mich fragen Anleger, ob sie eine Cash-Position aufbauen sollten angesichts der Rallye und abwarten sollten, bis sich eine Gegebenheit ergibt. Seit langer Zeit höre ich das. Die Angst kenne ich. Anleger haben Angst, heute zu investieren, weil sie befürchten, dass es Morgen schon kriselt. Ich sage ihnen dann: "Heute ist es besser zu investieren als Morgen. Warum? Es gibt mehr positive als negative Tage an der Börse."

Ja, wir hatten nicht viele Rücksetzer. Im Schnitt korrigiert die Börse einmal im Jahr um 10%. Aber genau diesen Zeitpunkt exakt zu treffen, ist nicht leicht. Um 20 bis 30% gibt die Börse alle 3 bis 5 Jahre nach. Du musst Dich damit abfinden, dass die Börse das macht. Passiert es, kauf einfach weiter zu. Und halte durch.

Ja, die Börse sieht etwas teuer aus, wenn man sich das KGV anschaut. Aber der Immobilienmarkt fängt nun stärker in den USA zu wachsen. Die Arbeitslosigkeit sinkt in vielen Ländern. Das heißt nicht, dass wir keinen Crash mehr haben werden. Nur das Timing kannst Du kaum hinbekommen. Es kann sein, dass der nächste Crash erst in 20 oder 30 Jahren stattfindet.

Brexit und die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten haben Analysten als Signal für eine große Korrektur bezeichnet. Doch es kam anders. Auch die Profis bekommen das Timing nicht hin. Massenhaft hatten Experten eine Korrektur mit dem Brexit-Entscheid prophezit. Sie lagen daneben. Jetzt warnen Analysten vor den Ermittlungen gegen Trumps Wahlkampfteam wegen möglicher Absprachen mit den Russen. Ja, im schlimmsten Fall kann es zu einem Amtsenthebungsverfahren kommen. Muss deshalb die Börse kollabieren? Nein!

Was mir Hoffnung macht: Warren Buffett kauft munter Aktien - einschließlich Apple. Er wollte sogar den Mega-Deal Unilever in trockene Tücher bringen, nur hatten die Briten seine Übernahmeofferte ausgeschlagen. Das zeigt, dass der Börsenaltmeister auf Elephantenjagd ist. Schaut auf ihn! Er hat ein gutes Gespür. Wären wir in einer Blase, wäre Buffett der Letzte, der kaufen würde. Zu Aktien gibt es keine Alternativen angesichts der Null-Prozent-Zinsen.

RBS und Morgan Stanley rieten Kunden Anfang 2016 ihre Aktien zu verkaufen. "Wir sehen enorme Risiken", sagten sie damals grob. Sie lagen falsch. Die Börse liegt gegenüber Januar 2016 um knapp 20% höher. Was zeigt Dir dies? Es ist besser, an der Börse investiert zu bleiben. "Buy and Hold" ist überlegen.

Es gab seit 1928 sechs Jahre, in denen die Börse um 20% (oder mehr) gesunken ist: 1930, 1931, 1937, 1974, 2002 und 2008. Blenden wir die Große Depression aus, stiegen die Aktien im Folgejahr wieder um 25 bis 30%. Oder mehr.

"Tanze nicht rein und raus aus Aktien", rät Buffett. Es lohnt sich nicht. Bleib in guten wie schlechten Zeiten einfach an Bord.

Profis halten sich nicht an Buffetts Rat. Sie sind nur noch 6 Monaten im Schnitt in Aktien investiert. Sie drehen ständig ihre Positionen um. Dabei bringt das nichts. Als Anleger kannst Du die Profis übertrumpfen, indem Du Aktien wie Amazon, Microsoft, Alphabet oder Berkshire lange durchhältst. Je länger Du Aktien hältst, desto besser. Hat jemand über 20 Jahre den Index historisch gehalten, hat er/sie nie einen Verlust gemacht. Achte auf Unternehmen, die schöne Cashflows generieren.

Kommt es zur Korrektur, werde nicht nervös. Im Gegenteil. Sehe die Korrektur als Chance. Kaufe einfach zu. Ich kaufe regelmässig Aktien. Ich sammle Aktien wie andere Briefmarken sammeln.

Wie habe ich Geld übrig, um ständig an der Börse zu investieren? Ich bin sparsam. Ich lebe unterhalb meiner finanziellen Möglichkeiten. Das war nicht immer so. Ich war vor 15 Jahren in einem Kaufrausch. Ich kaufte mir eine Wohnung und wollte alles nagelneu haben. Granitböden, elegante Einbauküche, Kunst an den Wänden, polierter BMW vor der Haustür. Ich kaufte also jede Menge Zeug. Aber ich brauchte die Clown-Sachen eigentlich nicht. Heute sind mir diese Dinge egal. Alles, was mir wichtig ist, ist meine Gesundheit. Und eine schöne Zeit mit meiner Familie und Freunden zu verbringen.

Finanzieller Frieden ist wertvoller als der Plunder. Nimm nie Deinen Notgroschen oder Deine Aktieninvestments, um Zeug zu kaufen. Dein Aktiendepot sollte für den Ruhestand da sein. Dein Notgroschen sollte für den Notfall da sein. Und nicht für einen neuen Fernseher, Urlaub oder Teppich. Ihr wisst selbst, was zu Erfolg führt: Disziplin. Die meisten Menschen haben keine Disziplin.

Ich fing mit 18 oder 20 Jahren an, Aktien einzusammeln. Ich machte im Kern immer "Buy and Hold". Es hat sich ausgezahlt. Zu einer meiner ersten Investments zählte SAP. Die Softwareschmiede aus Walldorf hat sich herrlich entwickelt. Ich litt vermutlich unter dem klassischen Problem des "Home Bias". Ich lebte in der Nachbarschaft des SAP-Stammsitzes, mein regionale Heimatorientierung verzerrte mein Depot. Es hat sich gelohnt. Natürlich werdet Ihr, wenn Ihr Stockpicker seid, Fehlgriffe machen. Das ist völlig normal. Das sollte Euch nicht beunruhigen. Ausreichend zu steuern ist daher wichtig.

Hedgefonds-Star Bill Ackman trommelte lange Zeit für den kanadischen Pharmariesen Valeant Pharmaceuticals. Von der Spitze bei 279 USD knickte der Kurs bis auf 11 USD ein. Ackman hatte im Schnitt 196 USD für sein Aktienpaket bezahlt. Er verlor mit der Wette 4 Mrd. USD. Er entschuldigte sich: "Klar, unser Investment in Valeant war ein enormer Fehler." Valeant verlor 90% seines Börsenwerts. Mehr noch: Valeant machte 17% des Hedgefonds aus. Das war ein zu hoher Anteil. Ackman hätte mehr streuen müssen. "Im Rückblick war unser Valeant-Paket prozentual an unserem Gesamtkapital zu groß", sagt nun Ackman selbstkritisch.

Warren Buffett trennte sich von 90% seiner Wal-Mart-Aktien. Er hatte den Aufstieg des Online-Händlers Amazon nicht erkannt. Buffett gibt heute zu, dass er Amazon-Gründer Jeff Bezos unterschätzt habe. Wer vor 20 Jahren für 10.000 Euro Amazon-Aktie kaufte, hat heute 5 Millionen Euro. Außerdem trennte sich Buffett von einem Drittel seiner IBM-Aktie. Der Umsatz des IT-Titans kommt einfach nicht in Schwung. Buffett scheint die Hoffnung verloren zu haben. Er stockt stattdessen lieber seine Apple-Position auf. Apple wächst, während IBM schrumpft.

Ich teile meine Investments in zwei Teile auf. Zum einen mache ich Value Investing. Zum andern kaufe ich Wachstumswerte. Eine Vorgehensweise ist auf die Dickschiffe im S&P-500-Index zu setzen. Als Value-Titel würde ich mir folgende anschauen: Microsoft, Wells Fargo, JP Morgan Chase, Bank of America, P&G, Berkshire Hathaway, Verizon, AT&T, Exxon, Chevron, Coca.Cola, General Mills etc. Wer mutig ist, setzt auf die stark abgestürzten Autoaktien wie GM oder Ford. Als Wachstumstitel sehe ich Apple, Alphabet, Amazon, Facebook, Mastercard, Visa, Netflix… Sie sind jedenfalls einen Blick wert.

Nicht nur Ackman und Buffett machen Fehler. Wir machen alle Fehler. Daher ist das Streuen wichtig. Wichtig für den Vermögensaufbau ist es ferner Schulden zu tilgen beziehungsweise erst gar nicht aufzunehmen. Einen Notgroschen solltest Du immer haben.

Was ist mit Wirtschaftskrisen? Wie gehst Du damit um? Im Rückblick sahen alle Menschen die Finanzkrise kommen. Aber das entspricht nicht der Wahrheit. Nobelpreisträger Daniel Kahneman erklärt, woran dies liegt: "Nach einer Krise reden wir uns alle ein, dass wir verstanden haben, was gerade passiert ist und wir halten an der Illusion fest, dass wir die Welt verstehen können. Fakt ist, dass wir akzeptieren sollten, dass die Welt die meiste Zeit nicht durchschaubar ist."

Die Fehler, die wir Anleger machen, sind immer dieselben: Selbstüberschätzung führt zu häufigem Trading, die Kosten (einschließlich Steuern) schaden dem Resultat. Übertriebene Hoffnungen führen dazu, dass wir in den Bullenärkten fast am Hochpunkt kaufen. Übertriebene Ängste sorgen dafür, dass wir im Tief, auf dem Höhepunkt der Krise, die abgestürzten Aktien aus unserem Depot werfen. Wie kannst Du diese beiden Fehler vermeiden? Indem Du regelmässig kaufst. Und durchhältst.

Klar, niemand kommt ans Ziel, ohne Fehler zu machen. Das musst Du Dir klarmachen. Kahneman hat noch etwas mit Professor Amos Tversky herausgefunden. Wir werden sehr emotional, wenn wir Geld mit einer Aktie verloren haben. Die Freude über einen Gewinn ist deutlich kleiner als der Ärger über einen Verlust. Daher verkaufen Anleger zu schnell ihre Gewinneraktien, anstatt sie laufen zu lassen. Sie unterschätzen den Gewinn, der sich aus dem Zinseszins mit den Jahren ergibt.

Daher ist es ratsam, die Aktivität im Depot zu reduzieren. Lasst die Gewinner laufen. Und denk dran: Das Auf und Ab an der Börse ist völlig egal. Wichtig ist es ruhig zu bleiben. Reagiere nicht auf die Schwankungen.

Viel Erfolg wünscht
Ihr Tim Schäfer

Tim Schäfer schreibt für das aktien Magazin. Wichti zu wissen: Im aktien Magazin gibt es ein Realgeld-Musterdepot. Hier setzen wir unsere Quality-Investing-Philsophie konsequent um. Wir investieren in Firmen mit überlegenen Geschäftsmodellen. Am Montag, den 22.05. geben wir eine neue Transaktion bekannt.
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