Boeing im Steigflug! Zwischen Qualitätsprüfung, Produktionsfreigabe und Kampf um die Wende!

Boeing (BA) ringt nach Jahren der Krisen um Stabilität. Nach Unfällen, Qualitätsmängeln, FAA-Auflagen und einem 75-tägigen Streik erlaubt die Behörde nun, die 737-MAX-Rate von 38 auf 42 Jets zu erhöhen, ein psychologischer und finanzieller Befreiungsschlag. Auslieferungen erreichen Mehrjahreshochs, milliardenschwere PAC-3-Aufträge stützen die Verteidigungssparte, doch bis zum ersten Jahresgewinn seit 2018 bleibt es ein Turnaround mit Risiko, mit dem Jahr 2026 als möglichem Wendepunkt.

Zwischen Aufbruch und Altlasten – Boeing kämpft um Stabilität

Boeing zählt zu den größten Luft- und Raumfahrtkonzernen der Welt. Das US-Unternehmen produziert Verkehrsflugzeuge, Militärjets, Raketenabwehrsysteme und Satelliten und ist zugleich einer der wichtigsten Exporteure der USA. Doch seit Jahren steht der Konzern im Kreuzfeuer von Sicherheitsbehörden, Kunden und Investoren. Zwei Abstürze der 737 MAX in den Jahren 2018 und 2019 stürzten Boeing in die tiefste Krise seiner Geschichte. Hinzu kamen Qualitätsprobleme, Lieferengpässe und zuletzt ein spektakulärer Vorfall Anfang 2024, als sich bei einer Maschine von Alaska Airlines ein Türverschluss während des Fluges löste. Die Federal Aviation Administration FAA reagierte mit harten Auflagen und begrenzte die 737 MAX-Produktion auf maximal 38 Flugzeuge pro Monat. In den vergangenen Monaten erschütterten zudem ein tödlicher Zwischenfall auf der südkoreanischen Insel Jeju, ein 75-tägiger Streik der Rüstungsarbeiter in St. Louis und mehrere laufende Sicherheitsuntersuchungen das Vertrauen in die Boeing-Führung.

FAA gibt grünes Licht – Produktion darf wieder steigen

Nun kam ein wichtiges Signal für Boeings Zukunft. Die FAA hat die Produktionsobergrenze für die 737 MAX von 38 auf 42 Flugzeuge pro Monat angehoben. Das klingt nach einer kleinen Zahl, bedeutet für den Konzern jedoch einen symbolischen Befreiungsschlag. Sie zeigt, dass die Aufsichtsbehörde nach zahlreichen Prüfungen wieder Vertrauen in Boeings Qualitätssicherung hat. CEO Kelly Ortberg, seit einem Jahr im Amt, sprach von einem "entscheidenden Schritt nach vorn" und betonte, die Erhöhung sei nur der Anfang. Man wolle die Produktion schrittweise weiter steigern auf mittelfristig bis zu 47 Jets pro Monat, sobald die Lieferkette stabilisiert sei. Für Boeing bedeutet die Lockerung nicht nur ein psychologisches Signal, sondern auch eine finanzielle Entlastung. Jeder zusätzliche Jet, der das Werk verlässt, bringt dringend benötigten Cashflow, da Fluggesellschaften den Großteil erst bei Auslieferung zahlen.

Auslieferungen auf Mehrjahreshoch – aber Gewinne bleiben aus

Im 3. Quartal 2025 lieferte Boeing 160 Flugzeuge aus, so viele wie seit 2018 nicht mehr. Davon entfielen 121 Maschinen auf die 737 MAX, das wichtigste Programm des Unternehmens. Auch im September allein erreichte Boeing mit 55 ausgelieferten Jets den höchsten Monatswert seit Jahren. Große Abnehmer waren Ryanair, United Airlines und Southwest. Trotz dieser Fortschritte bleibt die Bilanz tiefrot. Boeing hat seit 2018 keinen Jahresgewinn mehr erwirtschaftet. Analysten rechnen frühestens 2026 mit schwarzen Zahlen, vorausgesetzt, das Produktionswachstum verläuft stabil und es kommt zu keinen neuen Zwischenfällen. Die Konkurrenz von Airbus, die in diesem Jahr bereits über 500 Maschinen ausgeliefert hat, liegt weiterhin deutlich vorn.

Milliardenauftrag stärkt Verteidigungssparte – Patriot-Systeme gefragt

Während das zivile Geschäft langsam wieder Fahrt aufnimmt, ist die Verteidigungssparte ein verlässlicher Stabilisator. Mitte Oktober erhielt Boeing Mehrjahresverträge im Volumen von 2,7 Mrd. USD für die Lieferung von Suchköpfen des PAC-3 Patriot-Abwehrsystems. Diese Technologie ist entscheidend für den Schutz vor ballistischen und Hyperschallraketen, ein Bereich, der angesichts der globalen Sicherheitslage stark wächst. Bis 2030 will Boeing jährlich rund 750 Suchköpfe produzieren. Die Nachfrage kommt vor allem aus den USA, Europa und Asien, wo die geopolitische Unsicherheit die Verteidigungsbudgets nach oben treibt. Für Boeing bedeutet der Auftrag stabile Umsätze über mehrere Jahre und zusätzliche Auslastung für die Werke in Huntsville, Alabama.

Der lange Streik – und warum sein Ende so entscheidend ist

Doch während die Produktion in Seattle anläuft, herrscht in den Verteidigungswerken in St. Louis Stillstand. Seit 75 Tagen streiken über 3.200 Beschäftigte der Maschinistengewerkschaft IAM. Der Ausstand betrifft die Fertigung von F-15EX-Kampfflugzeugen und Munition, Schlüsselprogramme für die US-Luftwaffe. Boeing und die Gewerkschaft nehmen in dieser Woche die Gespräche unter Vermittlung der Bundesregierung wieder auf. Ein Durchbruch wäre dringend nötig, denn der Streik verzögert Auslieferungen und bindet Ressourcen, die Boeing für seinen Turnaround dringend braucht. Jede weitere Woche Stillstand kostet Mio. USD und gefährdet die ohnehin fragile Stabilisierung. Für Anleger wäre ein Ende des Konflikts ein klares Entlastungssignal und für das Unternehmen ein Schritt Richtung Normalität.

Hoffnung auf leisen Aufstieg

Boeing steht an einem Wendepunkt. Die Erhöhung der Produktionsgrenze, steigende Auslieferungszahlen und neue Großaufträge im Verteidigungsbereich zeigen, dass der Konzern operativ wieder Tritt fasst. Doch alte Wunden sind noch nicht verheilt. Streiks, Qualitätsprobleme und ein fehlender Jahresgewinn lasten weiter auf dem Vertrauen der Märkte. Sollte es CEO Kelly Ortberg gelingen, den Streik beizulegen und die Produktionssteigerung diszipliniert umzusetzen, könnte 2026 tatsächlich das Jahr der Wende werden. Für Anleger bleibt Boeing ein High-Risk-Turnaround-Wert mit wachsender Wahrscheinlichkeit auf ein Happy End.

Chart von Boeing. Die Aktie bewegt sich seit einem halben Jahr im Bereich zwischen 200 und 240 USD. Kann die Produktionsanpassung durch die FAA der Aktie einen neuen Anschub verleihen?


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