Novo Nordisk: Erste Abnehmpille kurz vor Zulassung

Der Markt für Adipositasmedikamente befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Mit dem Ziel, die Behandlung von Fettleibigkeit künftig auch ohne Injektionen zu ermöglichen, hat Novo Nordisk nun bei der US-Arzneimittelbehörde FDA die Zulassung einer oralen Version seines Medikaments Wegovy beantragt. Bemerkenswert ist dabei: Die Entscheidung zur Einreichung erfolgt rund zwei Jahre nach Veröffentlichung der Phase-3-Daten, die bereits im Mai 2023 erschienen sind. Laut Unternehmensangaben wurde der Antrag bewusst verzögert, da man sich zunächst auf die Entwicklung potenziell noch wirksamerer Nachfolgepräparate konzentrieren wollte. Die strategische Priorisierung interner Ressourcen verzögerte somit den regulatorischen Prozess – trotz vorliegender klinischer Ergebnisse.

 

Tablettenform von Semaglutid soll neue Zielgruppen erschließen

Die beantragte Tablette basiert auf dem bekannten Wirkstoff Semaglutid, der bereits in den Injektionen Wegovy (zur Gewichtsreduktion) und Ozempic (zur Behandlung von Typ-2-Diabetes) eingesetzt wird. In der Phase-3-Studie zeigte die orale Variante bei einer Dosierung von 50 mg über 64 Wochen eine durchschnittliche Gewichtsabnahme von 15 % – ein Effekt, der dem injizierbaren Original entspricht.

Die neue Darreichungsform soll insbesondere Menschen ansprechen, die bislang aufgrund der Notwendigkeit von Spritzen vor einer Therapie zurückgeschreckt sind.

 

Eli Lilly präsentiert eigene Pille – und holt auf

Parallel dazu verschärft sich der Wettbewerb. Der US-Pharmakonzern Eli Lilly präsentierte kürzlich erste Phase-3-Daten zum oralen GLP-1-Kandidaten Orforglipron. In einer Studie mit Typ-2-Diabetikern wurde neben einer signifikanten Senkung des Blutzuckerspiegels ein durchschnittlicher Gewichtsverlust von knapp 8 % über 40 Wochen erreicht. Sollte sich diese Wirkung auch in einer laufenden Studie mit Adipositas-Patienten bestätigen, will das Unternehmen ebenfalls einen Zulassungsantrag stellen.

Ein möglicher Vorteil von Orforglipron liegt in der Handhabung: Im Gegensatz zur Semaglutid-Pille von Novo Nordisk muss Orforglipron nicht nüchtern eingenommen werden – ein Argument für höhere Alltagstauglichkeit. Der Kapitalmarkt reagierte positiv: Nach der Veröffentlichung der Daten stieg die Aktie von Eli Lilly zweistellig, während Novo kurzfristig unter Druck geriet.

 

Wachsende Nachfrage, wachsender Druck

Die Entwicklungen erfolgen vor dem Hintergrund einer weltweit zunehmenden Adipositas-Problematik. In den USA gelten laut CDC mehr als 40 % der Erwachsenen als adipös, Tendenz steigend. Parallel steigt die gesellschaftliche und politische Bereitschaft, Adipositas als chronische Erkrankung ernst zu nehmen – mit entsprechendem Bedarf an effektiven und einfach zugänglichen Therapieformen.

Orale GLP-1-Präparate könnten in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle spielen. Tabletten gelten als benutzerfreundlicher, weniger stigmatisierend und könnten vermehrt auch durch Hausärzte verordnet werden – nicht nur durch spezialisierte Zentren. Eine solche Vereinfachung der Therapiewege könnte sowohl die Patientenzahl erhöhen als auch die Therapietreue verbessern.

 

Zwei Strategien – ein Ziel

Novo Nordisk setzt mit seiner Tablette auf einen bewährten Wirkstoff, der bereits millionenfach verordnet wurde. Der nun gestellte FDA-Antrag könnte dazu führen, dass das Unternehmen als erstes eine zugelassene Abnehmpille auf GLP-1-Basis auf den Markt bringt.

Eli Lilly verfolgt eine innovativere Route mit einem neuen Wirkstoff, der in seiner Handhabung noch alltagstauglicher sein könnte. Sollte Orforglipron vergleichbare Ergebnisse bei Adipositaspatienten liefern wie bei Diabetikern, könnte Lilly schnell nachziehen – und das Rennen um die Marktführerschaft offenhalten.

Fazit: Der Markt sortiert sich neu

Ob auf Basis bewährter Substanzen oder durch neue Wirkstoffe: Beide Unternehmen treiben die Weiterentwicklung von Adipositas-Medikamenten entscheidend voran. Die Einführung einer wirksamen und praktischen Abnehmpille wäre nicht nur ein medizinischer Fortschritt, sondern auch ein bedeutender Schritt hin zu einer breiteren und entstigmatisierten Versorgung von Menschen mit Adipositas – und ein Gamechanger in einem Milliardenmarkt, der sich gerade neu ordnet.


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