Wie US-Aktien mit einem kleinen Rechentrick plötzlich günstig statt hoch bewertet erscheinen

Viele Anleger machen sich Sorgen über die aktuell an den Börsen vorherrschenden Bewertungsniveaus. Kritisch beäugt wird diesbezüglich insbesondere die Wall Street und dabei speziell die Tech-Aktien. Doch die Experten beim Research-Spezialisten The Singularity Group geben in dieser Hinsicht Entwarnung. So sehe etwa ein um M2-bereinigtes Shiller-KGVs für den S&P 500 nicht erhöht, sondern eher billig aus.

Die Leitaktienindizes in den USA bewegen sich trotz der längst noch nicht ausgestandenen Coronavirus-Pandemie und den damit verbundenen negativen volkswirtschaftlichen Folgen in der Nähe ihre historischen Rekorde. Ein Umstand, der in den vergangenen Wochen unter den Marktteilnehmern zu einigen Diskussionen darüber führt, ob der US-Aktienmarkt auf dem aktuellen Niveau nicht überbewertet ist.

Mit dieser Frage beschäftigt sich in einer aktuellen Ausarbeitung auch Gregory Hung, CIO und Partner bei der Schweizer The Singularity Group, einem unabhängigen Research-Spezialisten und Anlageberater für Investitionen in weltweite Innovation. In seiner Einschätzung räumt Hung zwar mit Blick auf die kletternden Aktienkurse der vergangenen Monate ein, dass man sich durchaus die Frage stellen könne, ob die Bewertungen mittlerweile überzogen sind. Er stellt aber auch direkt klar, dass dies aus seiner Sicht nicht unbedingt zutrifft.

Denn wie er weiter ausführt, müssen höhere Aktienbewertungen immer im Zusammenhang mit dem Zinsumfeld gesehen werden. Zinssätze verhielten sich zum Investieren wie die Schwerkraft zur Erde. Bei Investments laufe alles auf die Rendite "risikofreier" Anlagen hinaus, das heißt auf Staatsanleihen (die natürlich keineswegs risikofrei seien). So habe beispielsweise die Rendite einer 10-jährigen US-Treasury Note Ende September bei 0,68 % gelegen. Anders ausgedrückt, die 10- jährige Anleihe habe ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 147 aufgewiesen, also das Umgekehrte ihrer Rendite. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, was ein angemessenes KGV für Aktien sei?

Wachstum und Bewertungen neu gedacht

Die erforderliche Aktienrendite werde üblicherweise als die Summe des risikofreien Zinssatzes (Rf) und der Aktienrisikoprämie (ERP) betrachtet. Addiere man den risikofreien Zinssatz und eine Aktienrisikoprämie von beispielsweise 5 %, so würde sich ein angemessenes KGV von etwa 18 ergeben.

Das sei jedoch nicht die ganze Geschichte. Gehe man davon aus, dass die Unternehmen ihre Gewinne um 2 % pro Jahr steigern können, so ergebe sich ein angemessenes KGV von 27 (1/[Rf + ERP - Wachstum]), was einem Anstieg von 50 % gegenüber dem vorherigen Wert entspreche.

Wenn man nun berücksichtige, dass einige Unternehmen in der Lage sein werden, ihre Gewinne um mehr als 2 % zu steigern, könne das KGV dramatisch ansteigen: eine Wachstumsrate von 3 % bzw. 5 % erhöhe diese Zahl auf 38 bzw. 61. Letztlich sei für ein Unternehmen, dessen Wachstum die Summe aus risikofreiem Zinssatz und Aktienrisikoprämie übersteige, das richtige KGV-Verhältnis singulär.

Aus diesem Grund biete der Markt eine signifikante Prämie für Unternehmen, von denen man glaubt, dass sie in der Lage sein werden, ihre Gewinne nachhaltig zu steigern, auch wenn sich langfristig höhere Wachstumsraten früher oder später tendenziell normalisierten. Je weiter weg von dieser Normalisierung, desto höher das KGV. Nach dieser Betrachtung könnten Aktien immer noch einen ziemlichen Lauf haben, so Hung. Und Aktien, die einen hohen Singularitäts-Score beibehalten können, könnten den längsten Lauf von allen haben.

Mehr Wachstum für länger

Dies bringt Hung zu einem weiteren Aspekt, den von Charlie Songhurst, Investor und früherer Strategiechef bei Microsoft, im Podcast "Invest Like The Best" angesprochenen Bewertungsanpassungen. Demnach seien die traditionellen Methoden zur Bewertung von Unternehmen überholt, denn wir hätten jetzt vernetzte, globale Unternehmen, mit deutlich schnelleren Wachstumsspitzen.

Viele der gängigen Bewertungsinstrumente seien jedoch für ein industrielles Zeitalter konzipiert, in dem a) das Wachstum viel geringer war, b) es kaum Netzwerkeffekte gab und c) die Rendite auf das inkrementelle Kapital nicht hoch war. Dieses Phänomen werde unterschätzt.

Zudem führt Hung auch noch einen weiteren Gedanken zur Bewertung an: Jüngst machten demnach Vorschläge die Runde, man solle das KGV an die Geldmenge anpassen – schließlich müsse die zusätzliche Liquidität ja irgendwo hingehen. Vor diesem Hintergrund sähen M2-bereinigte Shiller-KGVs für den S&P 500 beispielsweise nicht erhöht, sondern eher billig aus (siehe Abbildung).

Die hauseigene Singularitätsstrategie ziele jedenfalls darauf ab, jederzeit in exponentiell wachsenden Technologien bzw. Unternehmen, die diese integrieren und anwenden können, investiert zu sein. Damit widersetze sich das Singularitätsportfolio einigen der Annahmen, die in traditionellen Bewertungsmethoden getroffen werden, und könnte sogar billiger sein, als das KGV vermuten lasse.

Shiller-KGV für den S&P 500 Index – "normal" und um die Geldmenge M2 angepasst


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